Wintersportunfälle Haftungsgrundlagen & Beweislast

Aus der alpinen Unfalldatenbank des Österreichischen Kuratoriums für Alpine Sicherheit (ÖKAS) geht hervor, dass Im Zeitraum vom 01.11.2022 bis 03.01.2023 die Anzahl der Verletzten (505 Personen) im Vergleich zu anderen Saisonen unterdurchschnittlich ist, mit 13 Todesfällen ist allerdings die Anzahl der tödlich Verunfallten überdurchschnittlich hoch. Stürze, Fehl/Übereinschätzungen, Kollisionen mit Personen und Stürze mit Aufprall gegen Hindernisse sind die Hauptunfallursachen der Verletzten und Todesfällen.

Durch den fehlenden Schnee abseits der Pisten gibt es bei Unfällen mit höheren Geschwindigkeiten Verletzungsmuster, welche durchaus mit Motorradunfällen im Sommer zu vergleichen sind – allerdings ohne Schutzausrüstung. In vielen Skigebieten Österreichs sind nennenswerte Mengen an Neuschnee bis dato ausgeblieben bzw. durch die warmen Temperaturen bereits geschmolzen. Das führt zu teils eisigen Pisten und zu aperen Bereichen außerhalb der Pisten. Unter diesen Bedingungen besteht ein erhöhtes Risiko, sich bei einem Sturz schwer zu verletzen, insbesondere wenn man dabei über den Pistenrand hinaus gerät. Zusammenfassend kann festgehalten werden, dass die Bedingungen für Wintersportler bis zum nächsten nennenswerten Schneefallereignis anspruchsvoll bleiben.

Der Österreichische Skiverband gibt dazu folgende Tipps:

  • Angepasst fahren: Die Geschwindigkeit entsprechend den Bedingungen (stark) reduzieren, Abstand zu Hindernissen und anderen Pistenbenützern halten.
  • Material checken: Kanten schleifen und Skibindung im Fachhandel einstellen lassen, auf der Piste Helm tragen.
  • Aufwärmen: Vor der ersten Abfahrt und nach jeder längeren Pause, das aktiviert nicht nur den Körper, sondern auch die Sinne.
  • Pausen machen: Wer sich überanstrengt, ermüdet und macht Fehler.
  • FIS-Regeln einhalten: Die FIS-Verhaltensregeln ordnen das Miteinander auf der Piste.
  • Eigenkönnen verbessern: Ein zentraler Faktor in der Unfallvermeidung ist eine solide Fahrtechnik. ÖSV-Instruktoren und Skilehrer sind darin ausgebildet, Fehler in der Ski- bzw. Snowboardtechnik zu erkennen und helfen, diese zu beheben.

Diese Daten und Warnungen des österreichischen Schiverbandes sowie der bevorstehende Winter geben Anlass für den folgenden Blog, in welchem die rechtlichen Haftungsgrundlagen, Fragen der Beweislast sowie prozessuale Einwendungen bei Wintersportunfällen dargestellt werden.

Die Haftungsgrundlagen bei Wintersportunfällen sind meist deliktischer Natur. Die Beurteilung des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer erfolgt auf der Grundlage allgemein gültiger Verhaltensnormen für die ausgeübte Sportart. Wintersportler sind in erster Linie selbst für ihre Sicherheit verantwortlich und haben diesem Umstand durch entsprechendes Verhalten Rechnung zu tragen. Das Vorliegen einer vorvertraglichen oder vertraglichen Haftungsgrundlage prüft man bei Beförderungsverträgen oder der Bezahlung von Benützungs- oder Mietgebühren (zB Loipen, Sportgeräte). 

Einleitung

Prinzipiell ist jeder Sportler für seine eigene Sicherheit verantwortlich. Dies bedeutet eine aufmerksame Sportausübung abhängig vom individuellen Können. Bei der Ausübung des Wintersports hat ein Sportler eine entsprechende Ausrüstung zu verwenden, wobei die Anforderungen an diese von verschiedenen Parametern abhängen. Je höher die erreichbare Geschwindigkeit, desto bessere Kleidung und Ausrüstung sollte gewählt werden. Helmpflicht für Kinder bis 15 Jahre beim Wintersport auf Pisten oder pistenähnlichen Bereichen (Skilauf und Snowboarden) besteht aufgrund landesgesetzlicher Regelungen in Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich, Wien, Burgenland, Steiermark und Kärnten. Offen und noch nicht höchstgerichtlich entschieden ist, ob das Nichttragen haftungsrechtliche Konsequenzen haben kann (Mitverschulden).

Das Mitverschulden des Geschädigten wegen Nichttragens eines Fahrradhelms bei „sportlich ambitionierten“ Radfahrern wurde bereits höchstgerichtlich bejaht. Für nicht „sportlich ambitionierte“ Radfahrer hat der OGH aber aufgrund des fehlenden allgemeinen Bewusstseins von der Wichtigkeit des Tragens eines Fahrradhelms ein Mitverschulden wegen Nichttragens eines Radhelms bereits abgelehnt

In einer zuletzt durchgeführten Studie des ÖAMTC im Jahr 2015 lag die Tragequote bei etwa nur 25–30 %, diese geringe Quote war für den OGH ausschlaggebend dafür, dass nicht „sportlich ambitionierten“ Radfahrer kein Mitverschulden trifft. Derartige Studien für das Tragen eines Helmes beim Skifahren liegen (noch) nicht vor, sodass mit Ausnahme der Helmpflicht für Kinder bis 15 Jahre beim Wintersport auf Pisten oder pistenähnlichen Bereichen (Skilauf und Snowboarden) in Salzburg, Oberösterreich, Niederösterreich, Wien, Burgenland, Steiermark und Kärnten keine Helmpflicht Wintersport besteht.

Die wichtigsten Sorgfaltsregeln zur Beurteilung eines Sachverhalts 

Ski- und Snowboardsport

  • FIS-Regeln Skilauf
  • FIS-Regeln Snowpark (= „Funpark“)
  • FIS-Regeln Langlauf

Regelungen betreffend die Benützung von Transporteinrichtungen (zB Lifte)

  • Betriebsvorschriften für den konkreten Lift, diese sind beim Betreiber anzufordern bzw müssen üblicherweise aushängen.
  • Ausgehängte Benützungsregeln für Benützer von Transporteinrichtungen

Rodeln

Es gelten die Regeln des Kuratoriums für alpine Sicherheit.

Haftung aus Delikt

Die Haftungsgrundlagen bei Wintersportunfällen sind meist deliktischer Natur. Haftungsmaßstab ist das für die jeweilige Sportart geltende Regelwerk für das Verhalten von Sportlern. Bei besonders häufig ausgeübten Sportarten wurden von Sportverbänden etc allgemeine Verhaltensregeln erstellt.

Wesentlich bei der Beurteilung des Haftungsmaßstabs ist weiters, ob der Sport nebeneinander (zB allgemeiner Skilauf auf einer Piste), miteinander oder gegeneinander ausgeübt wird und eine Wettkampfsituation vorliegt oder nicht.

Kollisionen bei der Sportausübung nebeneinander

Bei Kollisionen bei der Sportausübung nebeneinander gelten:

  1. bei Ski- und Snowboardunfällen die FIS-Regeln bzw inhaltlich ähnliche nationale Regelwerke;
  2. beim Langlauf die FIS-Regeln;
  3. beim Rodeln auf Rodelbahnen wurden von verschiedenen Organisationen den FIS-Regeln nachempfundene Verhaltensanordnungen aufgestellt;
  4. bei Funsportarten sind die FIS-Regeln anzuwenden, wenn der Sport auf einer Piste ausgeübt wird;
  5. bei sonstigen Wintersportarten sind die üblichen Verhaltensweisen beachtlich.

Kollisionen bei der Sportausübung miteinander oder gegeneinander

Bei Kollisionen bei der Sportausübung miteinander oder gegeneinander ist das Vorliegen sozial adäquaten Verhaltens zu prüfen. Die Beurteilung des Verhaltens der Verkehrsteilnehmer erfolgt auf der Grundlage allgemein gültiger Verhaltensnormen für die ausgeübte Sportart.

Nach der Rsp ist zudem zu unterscheiden, ob eine Schädigung im Rahmen eines Wettkampfes oder bei einer reinen Sportausübung passiert ist. Übliche, leichte Regelverletzungen im Rahmen eines Wettkampfes sind nicht rechtswidrig, gravierende Verstöße eventuell schon.

Haftung aus Verkehrssicherungspflicht

„Die Gefährdung absolut geschützter Rechte, somit auch das Recht auf körperliche Unversehrtheit, ist grundsätzlich verboten (RIS-Justiz RS0022946). Aus diesem Verbot werden Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten abgeleitet (1 Ob 97/15v EvBl 2015/147 [Nordmeyer] mwN). Diese bestehen – unabhängig von Sonderhaftungsnormen – dann, wenn jemand eine Gefahrenquelle schafft. Die Verpflichtung zur Beseitigung der Gefahrenquelle und damit die Verpflichtung zum positiven Tun folgt aus der vorhergehenden Verursachung der Gefahrensituation. Eine gleiche Verpflichtung trifft auch denjenigen, in dessen Sphäre gefährliche Zustände bestehen (7 Ob 171/11i; 1 Ob 97/15v).

Nach ständiger Rechtsprechung trifft die Verkehrssicherungspflicht denjenigen, der die Gefahr erkennen und die erforderlichen Schutzmaßnahmen ergreifen kann. Wer demnach eine Gefahrenquelle schafft oder bestehen lässt, muss die notwendigen und ihm zumutbaren Vorkehrungen treffen, um eine Schädigung anderer nach Tunlichkeit abzuwenden (Ingerenzprinzip; 2 Ob 70/12a SZ 2012/1341 Ob 97/15v7 Ob 59/16a; RIS-Justiz RS0022778).

Voraussetzung ist das bei gehöriger Sorgfalt mögliche Erkennen einer Gefahrenlage. Diese Sorgfaltspflicht darf allerdings nicht überspannt werden. Die Grenzen des Zumutbaren sind zu beachten. Im Einzelfall kommt es auf die Wahrscheinlichkeit der Schädigung an (7 Ob 59/16a; RIS-Justiz RS0023487 [T7]). Der Verkehrssicherungspflichtige hat zu beweisen, dass er die erforderlichen Sicherheitsvorkehrungen getroffen hat, und zwar ohne Rücksicht darauf, ob sich diese Pflicht aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen (Ingerenzprinzip) oder aus einem Vertrag ergibt (RIS-Justiz RS0022476).

Vorvertragliche Haftung

Vorvertragliche Haftung kommt vor allem beim Verstoß gegen Verkehrssicherungspflichten vor, wenn zB Parkplätze oder Wege zu Kassen nur mangelhaft geräumt oder gestreut werden.

Haftung aus Vertrag

Das Vorliegen einer vertraglichen Haftungsgrundlage ist zB bei Beförderungsverträgen und/oder der Bezahlung von Benützungsgebühren (zB für Loipen, Sportgeräte) denkbar. Bei Sportveranstaltungen treffen den Veranstalter vertragliche Pflichten gegenüber den Teilnehmern und den Zuschauern.14

Beförderungsverträge

Der zwischen einem Wintersportler und dem Beförderer geschlossene Vertrag hat die Beförderung mit dem Skilift sowie die Benützung der geöffneten Pisten zum Inhalt. 

Möglich sind eine Verletzung der vertraglichen Hauptpflichten oder nebenvertraglicher Schutz- oder Aufklärungspflichten.

Loipenbenützung

Einige Loipenbetreiber verlangen für die Benützung einer Loipe Entgelt. Trifft das zu, scheidet eine Anwendung des § 1319a ABGB aus und greift die Vertragshaftung.

Beispiele

Vertragliche Haftung im Zusammenhang mit Wintersportunfällen:

  1. Verstoß gegen Beförderungsvorschriften beim Transport: Die Einhaltung der dem Betriebsunternehmer im Rahmen von Betriebsvorschriften auferlegten Pflichten ist abzuklären.
  2. Verstoß gegen Sicherungspflichten bei Sportanlagen, zB bei Pisten, Rodelbahnen. Zu beachten ist, dass ohne Vertrag die Haftungseinschränkung für Wegehalter auf grobe Fahrlässigkeit gilt.
  3. Bei Zurverfügungstellung von Funsportgeräten (zB Skibob, Tubes) ist auf die damit typischerweise verbundenen Gefahren und das gebotene Verhalten hinzuweisen. Dem Sportler ist entsprechende Schutzausrüstung zur Verfügung zu stellen bzw vorzuschreiben und er ist einzuweisen, um Gefahren zu minimieren.
  4. Sportgeräte sind entsprechend zu warten und zur Verfügung gestellte Sicherheitsausrüstungen an den Benützer anzupassen. 

Beweislast/Prozessuales

  • Neben dem Ausmaß der schuldhaft bzw sorglos herbeigeführten Gefahr, der Bedeutung der übertretenen Verhaltensregel und dem Verschuldensgrad ist für die Schadensteilung auch bedeutsam, wer das primär unfallauslösende Verhalten gesetzt hat.
  • Nicht schon der Sturz selbst, sondern nur ein diesem vorangegangenes, vermeidbares Fehlverhalten kann ein (Mit-)Verschulden begründen. In Betracht kommen etwa Verstöße gegen Pistenregeln (zB Vorrangverletzung), fahrtechnische Fehler (zB Verkanten) und unkontrolliertes Fahren (zB dem Fahrkönnen oder den Verhältnissen nicht angepasste Geschwindigkeit).
  • Die Behauptungs- und Beweislast für ein (Mit-)Verschulden trifft jenen, der sich darauf beruft. Dem Umstand, dass im Regelfall nur der verletzte Skifahrer sein Verhalten vor dem Sturz genau kennt, trägt die Rsp aber mit einer Beweiserleichterung durch einen Anscheinsbeweis Rechnung, die in zwei, nicht klar differenzierten Formen auftaucht: Einerseits wird – vergleichbar mit § 1298 ABGB – von einem bewiesenen objektiven Sorgfaltsverstoß auf subjektive Vorwerfbarkeit geschlossen, andererseits lässt ein Sturz in der Nähe eines Gefahrenbereichs (zB unmittelbar vor einem anderen Skifahrer) prima facie den Schluss auf einen subjektiv vorwerfbaren Sorgfaltsverstoß zu. Insb indiziert Verkanten ein Mitverschulden (zumindest bei fortgeschrittenen Skifahrern). 
  • Im Fall eines Sturzes und der anschließenden Kollision mit einem anderen Skifahrer ist in Bezug auf den Nachweis eines Fehlverhaltens des Gestürzten zu differenzieren, ob sich die Kollision im Sturzgeschehen bzw unmittelbar danach in seiner Fahrtrichtung oder erst nach einer gewissen Rutschstrecke außerhalb der eingeschlagenen Fahrtrichtung ereignet hat. Nur im ersten Fall spricht ein Anscheinsbeweis dafür, dass sich der Gestürzte vor dem Sturz schuldhaft sorgfaltswidrig verhalten hat. Eine objektiv falsche Schreckreaktion des Wintersportlers auf ein plötzlich auftretendes Ereignis begründet noch kein Mitverschulden.
  • Aufnahme der Personaldaten möglicher Zeugen, Fotos von der Unfallörtlichkeit und Schispuren etc., Fotos vom beschädigten Schimaterial (Schi-Sachverständige können aus dem beschädigten Schi-Material Kollisionspositionen und allenfalls auch Annäherungsgeschwindigkeiten feststellen), Beischaffung von Krankenbehandlungsunterlagen, da auch aus der körperlichen Situierung und Art/schwere der Verletzungen Rückschlüsse zu Kollisionspositionen und Annäherungsgeschwindigkeiten getroffen werden können.
  • In sieben Bundesländern gilt für Minderjährige bis zum vollendeten 15. Lebensjahr beim Wintersport eine Helmpflicht (die Ausnahmen sind Tirol und Vorarlberg). Jedenfalls bei mündigen Minderjährigen (dh im Alter von 14 bis 15 Jahren) kann das Nichttragen eines Helms zur Anrechnung eines Mitverschuldens in Bezug auf die durch den Helm vermeidbaren Unfallfolgen führen.

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