Tierhalterhaftung, Rechtsprechung

Tierhalterhaftung

Der OGH hat bereits wiederholt ausgesprochen, dass der Gesetzgeber in § 1320 ABGB zwar keine (volle) Gefährdungshaftung normiert hat, die besondere Tiergefahr aber dadurch berücksichtigt wird, dass nicht auf das subjektive Verschulden des Halters, sondern auf die objektiv gebotene Sorgfalt abgestellt wird. Im Unterschied zur Geltendmachung von andere Schadenersatzansprüchen, in welchem den Kläger die Beweislast für ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhaltens des Schädigers trifft, hat bei Ansprüche aus der Tierhalterhaftung der Tierhalter zu beweisen, dass er sich nicht rechtswidrig verhielt. Misslingt ihm dieser Beweis, haftet er für sein rechtswidriges, wenn auch schuldloses Verhalten. Welche Verwahrung und Beaufsichtigung durch den Tierhalter erforderlich ist, hängt von den Umständen des Einzelfalles ab. Die Vorkehrungen müssen dem Tierhalter zumutbar sein.

Ein Großteil der in der Rechtssprechung dazu ergangenen Entscheidungen und immer wiederkehrenden Fällen betrifft die ordnungsgemäße und zumutbare Haltung und Verwahrung von Hunden. Hier ist primär oder vorerst auf die jeweiligen Landesgesetze zu verweisen, in welchen die Leinen-/Beißkorbpflicht geregelt wird. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Hunde entweder angeleint oder jedenfalls mit einem Beißkorb versehen sein müssen. Falsch und bereits oberstgerichtlich ausgesprochen ist die immer wieder anzutreffende Meinung, dass ein Hund in ländlicher Umgebung stets frei herumlaufen darf. Welche Maßnahmen bei der Verwahrung oder Beaufsichtigung eines Tieres notwendig sind, richtet sich nach den dem Tierhalter bekannten oder erkennbaren Eigenschaften des Tiers und den jeweiligen Umständen. Die Vorkehrungen müssen dem Tierhalter zumutbar sein. Maßgeblich sind die Gefährlichkeit des Tieres, die Möglichkeit der Schädigung und eine Abwägung der betroffenen Interessen.

Da es zu den Eigenschaften eines Hundes, und zwar auch eines an sich gutmütigen Tieres gehört, sich auf der Straße unachtsam zu verhalten, weil er eben die damit verbundenen Gefahren nicht erkennt, stellt ein auf einer Straße frei herumlaufender Hund ein erhebliches Gefahrenmoment dar und zwar im besonderen Maße für die Benützer einspurige Fahrzeuge wie Fahrräder etc..

Grundsätzlich bedeutet das freie Umherlaufen lassen eines Hundes auf der Straße, ohne dass der Hund von einem Tierhalter oder von einer von diesem beauftragten Person unter Kontrolle gehalten wird, eine Vernachlässigung der Verwahrungspflicht, wobei es gleichgültig ist, ob der Hund bösartig ist oder nicht.

Aber nicht nur an Hundeattacken ist bei der Tierhalterhaftung zu denken. Anbei nachstehend einige andere bereits ausjudizierte Fälle, in welchen Personen durch andere Tiere als von Hunden teilweise schwer und lebensgefährlich verletzt wurden:

Im Jahr 2011 war die schwere Verletzung in einem Wildpark durch das Geweih eines Hirsches Anlass einer interessanten höchstgerichtlichen Entscheidung zur Tierhalterhaftung eines Wildparkbetreibers. Die Klägerin besuchte den von der Beklagten betriebenen Wildpark und durchwanderte dabei ein Rotwildgehege. An den Eingängen zum Gehege sind Verbotsschilder mit der Aufschrift „Wildtiere sind keine Streicheltiere – Füttern strengstens verboten“ angebracht. Ungeachtet dieser Verbotsschilder waren die Wildtiere bereits über einen längeren Zeitraum immer wieder von einzelnen Besuchern gefüttert worden, wodurch es zu einer ungewollten „Futterdressur“ kam. Eine solche bewirkte, dass sich die Wildtiere, obwohl sie an und für sich Fluchttiere sind, den Besuchern annähern können. In einem Abstand von ca. 15 m vor der Klägerin fütterte eine weitere Besucherin des Geheges einen Zwölfender-Rothirsch. Als deren Futter aufgebraucht war, begab sich der Hirsch in Richtung Klägerin, die ein von ihr an der Kassa des Tierparkes erworbenes Futtersäckchen mit sich führte und fallen ließ. Als der Hirsch das Futter aufnehmen wollte, hob er wegen einer Störung – nicht durch die Klägerin verursacht – ruckartig sein Geweih und verletzte dabei die Klägerin mit seinem Geweih schwer.

Der Beklagte ist als Betreiber eines Tierparkes Tierhalter gem. § 1320 ABGB hinsichtlich der in den Gehege lebenden Tiere. Wie ein Tier zu verwahren oder zu beaufsichtigen ist, hängt nach ständiger Rechtsprechung von den Umständen des Einzelfalles ab. Maßgeblich sind die Gefährlichkeit des Tieres, die Möglichkeit der Schädigung und eine Abwägung der betroffenen Interessen. Entsprechend diesen höchstgerichtlichen Grundsätzen hat der OGH die Haftung gegen den Tierparkbetreiber als Tierhalter gem. § 1320 ABGB bejaht und ausgesprochen, dass diesem auch bei gehöriger Aufmerksamkeit bekannt sein müsse, dass es zu der festgestellten „Futterdressur“ und damit zur Annäherung des Wildes an die Besucher des Geheges kam. Konkret wurde dem Wildparkbetreiber auch vorgeworfen, dass er in Kenntnis von Verstößen gegen das Verbot der Futtergabe keine Vorkehrung getroffen hat, die einer solchen Gefährdung entgegenwirkten. In Kenntnis der Übertretung war dem Wildparkbetreiber auch eine strengere Kontrolle des Fütterungsverbotes durchaus zumutbar, zumal die Gefahr einer „Futterdressur“ durch den Verkauf von Futtersäcken von ihm auch zusätzlich gefördert wurde.

Der OGH hatte es sich auch bereits mehrmals mit schweren Verletzungen durch Weidevieh zu befassten. In mehreren höchstgerichtlichen Entscheidungen hat dieser ausgesprochen, dass für Weidevieh im Allgemeinen die Verwahrung mit elektrischem Weidezaun als ausreichend angesehen wird, dies auch grundsätzlich in der Nähe von stark befahrenen Straßen, wobei hier die Verwahrung besonders sorgfältig muss. In einer Entscheidung aus dem Jahr 2012 reichte die umzäunte Weidefläche, auf der sich die weideerfahrenen, an Autolärm gewöhnten sowie mit Futter und Wasser ausreichend versorgten Jungtiere seit mehreren Tagen befanden, bis auf einige Meter an die stark befahrene Autobahn heran. Aufgrund dieser örtlichen Verhältnisse hat das Höchstgericht die Auffassung vertreten, dass die unmittelbare Nähe einer beträchtlichen Gefahrenquelle (Autobahn) den Tierhalter zu erhöhter Sorgfalt verpflichtet hätte, da die erhöhte Schadensträchtigkeit durch einen möglichen Ausbruch der Jungrinder auf die nahe gelegene Autobahn bestand. Dem Tierhalter ist sohin aufgrund dieser Pflicht zu erhöhten Sorgfalt die Verwendung eines Weidezauns mit durchgehend zwei- oder dreifacher Drahtführung zumutbar. An der Ausbruchsstelle war der Zaun hingegen nur mit einem Draht versehen, sodass dem Tierhalter ein Verstoß gegen die ihm zumutbare erhöhte Sorgfalt vorgeworfen wurde.

Auch die mit dem Reitsport verbundenen typischen Gefahren waren bereits mehrmals Grund zu höchstgerichtlichen Entscheidungen. Im Jahr 2012 hatte der OGH die Rechtsfrage zu klären, bei welchen Voraussetzungen eine Haftung des Reitschulbetreibers vorliegt. Prinzipiell hat der Reiter die mit dem Reitsport verbundenen typischen Gefahren selbst zu tragen.

Das nicht immer kalkulierbare Verhalten eines Pferdes, das zu Stürzen des Reiters führen kann, stellt ein typisches Risiko des Reitsportes dar, das nicht unter allen Umständen ausgeschlossen werden kann. Wird von einem Reitschulbetreiber ein Pferd zu Reitzwecken einem Dritten überlassen, so handelt es sich um einen Mietvertrag. Werden auch noch Reitstunden gegeben, so trifft den Vermieter die vertragliche Nebenpflicht, auch für die Sicherheit des Reiters in zumutbarer Weise vorzusorgen. Er ist auch verpflichtet, dem Mieter auf besondere Eigenschaften des Pferdes wie starkes Temperament, häufiges Ausschlagen und dergleichen aufmerksam zu machen. Andererseits kommt es aber immer wieder vor, dass Pferde auch von erfahrenen Reitern nicht unverzüglich unter Kontrolle gebracht werden können, sodass gefährliche Berührungen zwischen Reitern und Pferden grundsätzlich zum Wesen des Reitsports gehören. Der Reiter hat die mit dem Reitsport verbundenen typischen Gefahren selbst zu tragen. Eine gewisse, bei einzelnen Sportarten mehr oder weniger große und verschiedenartig bedingte Gefährdung der körperlichen Unversehrtheit des Sportausübenden ist im Wesen des Sports begründet und das notwendigerweise damit verbundene Risiko für die körperliche Unversehrtheit der daran teilnehmenden Personen daher gebilligt.

Pferde sind keine Maschinen, sondern Lebenswesen mit eigenem Willen. Sie sind Fluchttiere und damit grundsätzlich schreckhaft. Sie können aus vom Reiter nicht als gefährlich erkennbaren Anlässen scheuen. Darauf, dass ein Pferd mit Reiter aufgrund einer heftigen Rechtsbewegung und der damit verbundenen plötzlichen Schwerpunktverlagerung zu Boden geht, ist noch nicht abzuleiten, dass es für den Reitunterricht grundsätzlich nicht geeignet wäre. Das nicht immer kalkulierbare Verhalten eines Reiters, das zu Stürzen des Reiters führen kann, stellt ein typisches Risiko des Reitsportes dar, dass nicht unter allen Umständen ausgeschlossen werden kann.

Im gegenständlichen Fall konnte die Klägerin nicht beweisen, dass sich das von ihr gerittene Pferd nicht untypisch verhalten hat. Sie hätte Umstände darlegen und beweisen müssen, aus denen sich ergeben kann, dass das Pferd auffällig geworden war, also objektive Hinweise bestanden, dass das Pferd nicht als Schulpferd geeignet ist. Da aber derartige Anhaltspunkte vom Gericht nicht festgestellt wurden, wurde auch die Haftung abgelehnt.

 

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