Nach ständiger Rechtsprechung ist das Schmerzensgeld nach freier Überzeugung und unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat und voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, grundsätzlich global festzusetzen. Wenngleich bei der Bemessung des Schmerzensgeldes auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen ist, ist doch zur Vermeidung von Ungleichheiten auch ein objektiver Maßstab anzulegen. Dabei darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen bei der Bemessung des Schmerzensgeldes nicht gesprengt werden. Tendenziell erscheint es dabei geboten, das Schmerzensgeld nicht zu knapp zu bemessen.
Schmerzensgeld gebührt selbst bei völliger Zerstörung der Persönlichkeit mit gänzlichem Verlust jeglicher Wahrnehmungs- und Empfindungsfähigkeit und damit einhergehend völliger und dauerhafter Schmerzunempfindlichkeit. Den die tatsächlich rechtliche Wertung des Schmerzensgeldanspruches liegt darin, dass eine haftungsbegründende Einwirkung auf die Persönlichkeitsstruktur einer Person, die diese außer Stande setzt, Schmerz und Leid im Gegensatz zu Wohlbefinden und Freude zu empfinden und sie damit elementarster menschlicher Empfindungen beraubt, für den darin gelegenen immateriellen Nachteil als solchen entschädigungspflichtig macht. Wem die Erlebnisfähigkeit genommen wird, der erleidet einen Schadenersatz rechtlich zumindestens ebenso bedeutenden Nachteil an seiner Person wie durch eine Störung seines Wohlbefindens durch Schmerz.
Da die Höhe des Schmerzensgeldes der Geldwert zum Zeitpunkt des Schlusses der Verhandlung in erster Instanz maßgeblich ist, muss für eine Vergleichbarkeit früherer Schmerzengeldzusprüche auch die inflationsbedingte „Verdünnung“ des Geldwerts berücksichtigt werden. Das bisher höchste Schmerzensgeld hat der OGH in der Entscheidung zu Ob 237/01 v in der Höhe von € 218.000,00 zugesprochen. Unter Anwendung des Verbraucherpreisindex (VPI 2000) ergibt dies für das Jahr 2014 eine Aufwertung des bisher höchsten Schmerzensgeldzuspruches von € 218.000,00 auf rund € 287.000,00. Bei einem aktuellen Anlassfall mit ähnlichen Verletzungen wie in jenem Fall, bei welchem das bisher höchste Schmerzensgeld in der Höhe von € 218.000,00 zugesprochen wurde, würde jetzt ein Schmerzensgeld – unter Berücksichtigung der inflationsbedingten Aufwertung, einen Betrag in der Höhe von € 287.000,00 – rechtfertigen.
Die Kenntnis dieser aktuellen Schmerzensgeldjudikatur in Hinblick auf die Berücksichtigung der Inflation ist für einen mit derartigen Schadenersatzansprüchen befassten Rechtsanwalt unverzichtbar. Um das Schmerzensgeld möglichst genau feststellen und bemessen zu können, muss der Anwalt zuerst nach bereits ergangenen Entscheidungen mit vergleichbaren/ähnlichen Verletzungen recherchieren. Dies ist nicht immer leicht, Datenbanken und Suchbehelfe erleichtern jedoch das Auffinden von vergleichbaren Entscheidungen. Auch kommt es manchmal vor, dass ein „Verletzungsbild“ noch keiner höchstgerichtlichen Entscheidung zugrunde lag, dann ist jedenfalls auf Entscheidungen mit ähnlichen Verletzungen und deren Dauerfolgen zu verweisen. Danach ist das Datum der Entscheidung zu eruieren und danach eine Aufwertung nach dem VPI 2000 vorzunehmen. Erst nach dieser Recherche kann das Schmerzensgeld einigermaßen genau bemessen werden.
In einer aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 2 Ob 175/14 w wurde die bisherige Rechtsprechung zur Höhe von Schmerzensgeldansprüchen bei schweren Verletzungen mit Dauerfolgen dahingehend weiterentwickelt, dass erstmalig einem Geschädigten ein Schmerzensgeld in der Höhe von € 130.000,00 zugesprochen wurde, obwohl die Voraussetzungen nach der bisherigen Rechtsprechung für ein derart hohes Schmerzensgeld, nämlich das Vorliegen von Lähmungen oder hirnorganischen Psychosyndromen, nicht vorlagen.
Die Klägerin im Verfahren zu 2 Ob 175/14 w litt weder an vergleichbaren Gehirnschäden bzw. Lähmungen und würden ihre Verletzungen im Rahmen der bisherigen Schmerzengeldjudikatur des Obersten Gerichtshofes maximal ein Schmerzensgeld in der Höhe von € 80.000,00 rechtfertigen. Der Oberste Gerichtshof hat aber in dieser Entscheidung die besonders massive beeinträchtigende Dauerfolge einer sklerosierende Cholangitis mit der Problematik des ungewissen Wartens auf eine Spenderleber und die damit im Zusammenhang stehende ständige Todesangst als besonderen Umstand beim Schmerzensgeld berücksichtigt und der Klägerin ein Schmerzensgeld in der Höhe von € 130.000,00 zugesprochen. Diese Zukunfts- und Todesangst, die als seelische bedingter Folgeschaden der Verletzungshandlung ersatzfähig ist, liegt im gegenständlichen Fall in einem zeitlich besonders ausgedehnten Ausmaß vor und stellt damit eine in die Schmerzensgeldbemessung einfließende, ganz wesentliche Verletzungsfolge dar.
All das waren zusammenfassend die Argumente des OGH, um der Geschädigten ein Schmerzensgeld in dieser – bisher aufgrund derartiger Verletzungen nicht möglichen Höhe – von € 130.000,00 zu zusprechen. Eine genaue Kenntnis der aktuellen Schmerzensgeldjudikatur ist somit für einen mit Schadenersatzansprüchen befassten Anwalt unbedingt erforderlich, dies umso mehr, da auch in Zukunft aufgrund Berücksichtigung der inflationsbedingten „Verdünnung“ des Geldwertes mit weiteren Höchstzusprüchen zu rechnen ist. Dies gilt natürlich auch für Ansprüche aus dem Titel der Verunstaltungsentschädigung.