Schmerzengeld und Schmerzengeldbemessung nach kroatischem Recht 

Kroatien ist eines der beliebtesten Urlaubsziele österreichischer Staatsbürger und erfolgt die Anreise und Rückfahrt größtenteils mit dem eigenen Pkw. Im Falle eines Auslandsunfalles in Kroatien ist gemäß Art. 3, des Haager Straßenverkehrsübereinkommens (HStVÜ, Lex Loci) kroatisches Recht anzuwenden. Ist nur ein Fahrzeug an dem Unfall beteiligt und ist dieses Fahrzeug in einem anderen als dem Staat zugelassen, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat, so ist das innerstaatliche Recht des Zulassungsstaates anzuwenden. Dies gilt auch, wenn mehrere Fahrzeuge an dem Unfall beteiligt sind und sämtliche in einem anderen als dem Staat zugelassen sind, in dessen Hoheitsgebiet sich der Unfall ereignet hat. 

Im Regelfall ist sohin davon auszugehen, dass bei einem Auslandsunfall in Kroatien kroatisches Recht anzuwenden ist, sodass ein Vergleich des Anspruches auf Schmerzengeld und der Schmerzengeldbemessung nach österreichischen Recht mit dem kroatischen Recht durchaus von Interesse ist. 

Nachstehend eine Zusammenfassung des Anspruches auf Schmerzengeld und insbesondere der Schmerzengeldbemessung nach österreichischem Recht wie folgt: 

Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte wegen seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und die Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzungen und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigungen des Gesundheitszustands abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm ent-gangenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen (7 Ob 122/23a mwN). 

Das Schmerzengeld ist nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat und voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, grundsätzlich global festzusetzen (RS0031040; RS0031307). Dabei ist zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen. Es darf der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt werden (RS0031075). Das Schmerzengeld ist nicht nach starren Regeln zu bemessen (RS0125618); bei festgestellten Schmerzperioden handelt es sich um keine Berechnungsmethode. Die vom Sachverständigen festgestellten Schmerzperioden dienen lediglich als Hilfe zur Bemessung des Schmerzengeldes.

Das Schmerzengeld soll jedoch tendenziell nicht zu knapp bemessen werden. Dabei werden von der höchstgerichtlichen Rechtsprechung die Ersatzbeträge bei Schwerstverletzungen deutlich stärker angehoben. Zu 5 Ob 202/20x wurde einem 53-jährigen Mann nach einem Unfall vom 27.6.2014 mit Querschnittslähmung und Bewegungsunfähigkeit aller vier Extremitäten, Blasen- und Mastdarmfunktionsstörung, weitgehender Lähmung der Atemmuskulatur sowie massiv beeinträchtigter Thermoregulation, der bis ans Lebensende nur im Rollstuhl fortbewegungsfähig war, ein Schmerzengeld von EUR 320.000,00 zugesprochen. 

Das Oberlandesgericht Wien erachtete mit Urteil vom 2.8.2021, 11 R 101/21k, ein Schmerzengeld von EUR 260.000,00 in einem Fall als angemessen, in welchem die dortige Klägerin bei einem Unfall vom 10.12.2018 ein schweres Schädelhirntrauma, zahlreiche Frakturen, Hautabschürfungen und Prellungen, komplexe Störungen der Augenmobilität, hochgradige Schluckstörungen, eine hochgradige Tetrasymptomatik mit Spastizität und Bewegungsunfähigkeit, eine cerebrale Inkontinenz für Harn und Stuhl sowie ein apallisches Syndrom (wachkomatöser Zustand) ohne Änderungser-wartung erlitten hatte (Danzl, Schmerzengeld, RDB.at [Entscheidung angeführt unter OLG Innsbruck 11 R 101/21k]). 

Nachstehend eine Zusammenfassung des Anspruches auf Schmerzengeld und insbesondere der Schmerzengeldbemessung nach kroatischem Recht wie folgt: 

Dabei ist vorab festzuhalten, dass dem kroatischen Recht die Terminologie Schmerzengeld fremd ist, in Art. 1085-1098 des kroatischen Schuldrechts ist die Wiedergutmachung des materiellen Schadens, insbesondere die Bestimmungen über die Entschädigung für immaterielle Schäden im Fall des Todes, einer Körperverletzung oder einer Gesundheitsbeeinträchtigung, die in den Artikeln 1093-1097 des Schulrechtes (SchR) enthalten sind, geregelt. Die Art. 1099-1106 des Schulrechtes regeln das Insti-tut der Wiedergutmachung des immateriellen Schadens. 

Die Beiträge für die Entschädigung von immateriellen Schäden im Falle von Körperverletzung, Gesundheitsbeeinträchtigung oder Tod sind in den Orientierungskriterien und Beträgen zur Feststellung der Höhe der gerechten Geldentschädigung für immateriellen Schaden des Obersten Gerichtshofes der Republik Kroatien vom 29.11.2002 enthalten. Mithilfe dieser Orientierungskriterien bestimmen die Gerichte im Gerichts-verfahren die Höhe der gerechten Geldentschädigung für immateriellen Schaden. Um eine einheitliche Anwendung der Bestimmung für den Zuspruch einer gerechten Geldentschädigung für immateriellen Schaden zu ermöglichen, hat die Zivilabteilung des Obersten Gerichtshofes führen Republik Kroatien in den Sitzungen vom 5. März und 15.06.2020 die (alten) Orientierungskriterien vom 29.11.2002 geprüft und angenommen, wobei diese so geändert wurden, dass die Kriterien in allen Bereichen um 50 % erhöht wurden. 

Diese geänderten Orientierungskriterien und die auf diese Weise erhöhten Beträge um 50 % werden bei der Anwendung des Schulrechtes (SchR) herangezogen, wenn Gerichte über die Höhe der gerechten Geldentschädigung für immaterielle Ellen Schaden im Fall einer Verletzung von Persönlichkeitsrechten zu entscheiden haben. 

Körperliche Schmerzen, seelische Leiden und Angst stellen Kriterien und Maßstäbe dar, die zusammen mit anderen Umständen ausschlaggebend dafür sind, dass der Geschädigte einen Anspruch auf eine gerechte Geldentschädigung hat. Die Intensität und Dauer dieser Schmerzen, in welchem Umfang die Aktivitäten im täglichen Leben reduziert sind sowie die weiteren Umstände des Falls sind qualifizierende Faktoren für die Schwere der Verletzung und nehmen daher in jedem konkreten Fall Einfluss auf die Höhe der Entschädigung. 

Sowie für die Verletzung von Persönlichkeitsrechten für körperlichen und seelischen Gesundheit eine Entschädigung zugesprochen wird, so wird durch ein medizinisches Gutachten festgestellt, in welcher Form und in welchem Grad oder Prozentsatz es zu einer Reduzierung der Aktivitäten des täglichen Lebens gekommen ist. Daher werden künftige Dauerfolgen durch ein Gutachten festgestellt und die Beträge werden ebenfalls im Sinne der Orientierungskriterien des Obersten Gerichtshofes zugesprochen. 

Die angeführten Orientierungskriterien umfassen unter anderem die Kriterien für die Festlegung eines Geldersatzes in Bezug auf körperliche Schmerzen, erlittene Angst, seelische Schmerzen aufgrund einer Verminderung von Lebensaktivitäten und seelische Schmerzen aufgrund einer Einstellung. Nach kroatischem Recht besteht die Möglichkeit einer einmaligen Entschädigung sowie in Form einer monatlichen Rente, eine Besonderheit die noch österreichischen Recht nicht möglich ist. Darüber hinaus besteht nach kroatischem Recht keine komprimierte Bemessung der Schmerzen auf den 24-Stunden Tag, wie im Vergleich noch österreichischen Recht. 

Die angeführten Orientierungskriterien umfassen unter anderem die Kriterien für die Festlegung eines Geldersatzes in Bezug auf die erlittenen körperlichen Schmerzen, die erlittene Angst, seelische Schmerzen aufgrund einer Verminderung von Lebensaktivitäten und seelische Schmerzen aufgrund von Entstellungen. 

Für körperliche Schmerzen ist entsprechend der erhöhten Orientierungskriterien die Höhe des Schadenersatzes für starke Schmerzen mit HRK 555, für mittlere Schmerzen mit HRK 330 und für schwache Schmerzen mit HRK 105 festgelegt. Bei der Festlegung des Ersatzbetrages ist zu berücksichtigen, dass die Dauer und die Stärke der körperlichen Schmerzen wesentliche Elemente für die Zuerkennung eines billigen Geldersatzes sind. Das Gericht hat allerdings auch andere Umstände jedes einzelnen Falles zu beachten. Ob es sich dabei um starke, mittlere oder schwache Schmerzen handelt, wird in der Praxis von einem medizinischen Sachverständigen im Rahmen eines Befundes und Gutachtens festgestellt. 

Die im Verlauf einer Heilbehandlung erlittenen Beschwerden sind im Rahmen des Ersatzanspruches ebenfalls zu berücksichtigen. Hierzu zählen unter anderem Injektionen, Röntgenaufnahmen, eine allenfalls erforderliche Physiotherapie, die Notwendig-keit des Gebrauchs eines Rollstuhls, oder aber ein stationärer Spitalsaufenthalt. Diese Beschwerden können aber im konkreten Einzelfall den Rahmen körperlicher Schmerzen überschreiten und unter Umständen in eine eigenständige Form eines immateriellen Schadens münden. 

Ein billiger Geldersatz für die erlittene Angst wird in Einklang mit der Dauer und der Intensität der Angst verhängt. Beides wird in Anbetracht der Umstände jedes Einzelfalles beurteilt. Gemäß den erhöhten Kriterien wird die Entschädigung in einen Betrag zwischen HRK 3.300 und HRK 45.000 verhängt. Hinsichtlich der Kriterien für die Zuerkennung von Ersatz für erlittene Angst wird von denselben Umständen wie bei körperlichen Schmerzen ausgegangen. 

Die Entschädigung für seelische Schmerzen aufgrund einer Verminderung von Lebensaktivitäten umfasst sämtliche Einschränkungen von Aktivitäten des Geschädigten, die er ausgeübt hat oder die er gemäß dem regelmäßigen Lauf der Dinge in Zukunft wahrscheinlich ausgeübt hätte. Unter Einschränkungen wird auch die Ausübung von Aktivitäten unter einem größten Aufwand an Mühe oder unter besonderen Bedingungen verstanden. Diese Form eines Schadens wird in der Regel für eine längere Dauer verhängt und zwar auch in jenen Fällen, wenn die Verminderung von Lebensaktivitäten bloß vorübergehend ist, wenn Sie eine stärkere Intensität und eine längere Dauer aufweist oder falls dies besondere Umstände rechtfertigen. Der Ersatz für seelische Schmerzen wird für eine Verminderung im Ausmaß bis 25 % mit HRK 11 052 für je 10 %, über 25 % bis 40 % mit HRK 16.500 für je 10 %, über 40 % bis 60 % mit HRK 33.000 für je 10 %, über 60 % bis 80 % mit HRK 67.500 für je 10 % und über 80 % bis 100 % mit HRK 112.500 für je 10 % festgelegt. 

Demnach würde sich aufgrund der obigen Kriterien zum Ersatz für seelische Schmerzen aufgrund einer Verminderung von Lebensaktivitäten für eine Verminderung in der Höhe von zum Beispiel 50 % eine Entschädigung von HRK 165.000 (5 × HRK 33.000) ergeben. Die höchste Entscheidung auf dieser Grundlage und gemäß dieser Berech-nung würde bei einer Verminderung von Lebensaktivitäten im Ausmaß von 100 % HRK 1.125.000 (10 × HRK 112.500) ergeben. 

Die Entschädigung für seelische Schmerzen aufgrund von Einstellung beläuft sich bei einem hohen Grad der Einstellung, sehr sichtbar für Dritte, auf HRK 55.500 bzw. lediglich manchmal sichtbar (Mitbewohnern, am Strand und Ähnliches) auf HRK 33.000, bei einem mittleren Grad von Einstellung, sehr sichtbar für Dritte, auf HRK 33.000 bzw. für Dritte lediglich manchmal sichtbar auf HRK 16.500, bei einem niedrigen Grad der Einstellung, sehr sichtbar für Dritte, auf HRK 7.500 bzw. für Dritte lediglich manchmal sichtbar auf HRK 3.750. 

Die Bestimmungen des Ersatzbetrages kann vom Alter, der Berufsort, der Art der Verletzungen und ähnlichem abhängen. Gemäß der Rechtsprechung liegt eine Grundlage für die Anerkennung eines Geldersatzes für die Einstellung nicht bloß darin, ob und in welchem Maße das äußere des Geschädigten im Umfeld Ekel, Mitleid oder andere negative Reaktionen hervorruft. Vielmehr werden auch subjektive Maßgaben über den Einfluss sämtlicher Elemente auf das psychische Gleichgewicht des Geschädigten bzw. auf seinen psychischen Zustand allgemein berücksichtigt. 

Zur Position seelische Schmerzen aufgrund von Entstellung ist im Vergleich nach österreichischen Recht darauf zu verweisen, dass dafür gemäß § 1326 ABGB eine vom Schmerzensgeld unabhängige Entschädigung für Verunstaltung zugesprochen wird, wobei diese aber nur bei Verhinderung des Fortkommens und/oder Minderung der Heiratsaussichten zugesprochen wird. Eine Verunstaltungsentschädigung für eine verheiratete Person ist nach österreichischem Recht nicht vorgesehen. 

Besonders bemerkenswert im Vergleich zum österreichischen Recht ist, dass im kroatischen Recht auch eine Entschädigung für seelisches Leid aufgrund der besonders schweren Invalidität einer nahestehenden Person, ohne krankheitswertiger psychischer Beeinträchtigung, zugesprochen wird. Für den Fall der besonders schweren Invalidität eines Ehepartners oder Lebensgefährte oder eines Kindes ist eine Entschädigung von maximal HRK 330.000 vorgesehen. Für den Fall der besonders schweren Invalidität eines Elternteils ist für ein Kind, das noch von den Eltern großgezogen wird ein Betrag in der Höhe von HRK 330.000, für andere Kinder ein Betrag in der Höhe von HRK 225.000 vorgesehen. 

Im österreichischen Recht wird im Vergleich dazu nur dann eine Entschädigung zugesprochen, wenn eine lebenslang massiv dauerhafte Pflegebedürftigkeit aufgrund von Lähmungen und Notwendigkeit eines Rollstuhls vorliegen und der unverletzte Ehegatte/Lebensgefährte aufgrund dieser lebenslangen Überbelastungssituation mit psychisch krankheitswertiger Beeinträchtigung behaftet ist. Eine Entschädigung für ein Kind, egal ob dieses noch im Haushalt mit den Eltern lebt oder nicht, ist nach österreichischen Recht nicht vorgesehen. 

Aufgrund der obigen Ausführungen ist bei einem Unfall in Kroatien zur richtigen Bemessung der Entschädigung wie oben dargestellt jedenfalls ein Rechtsanwalt zu be-auftragen, dem die Eigenheiten und Unterschiede zum österreichischen Recht bekannt sind. Dies ist jedenfalls bei schweren Verletzungen mit lebenslangen Dauerfolgen und psychischen Beeinträchtigungen zu empfehlen, da bei derartigen Beeinträchtigungen durchaus hohe Entschädigungen, wenn auch nicht vergleichbar mit der österreichischen Schmerzengeldjudikatur, zugesprochen werden. 

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