Das Schmerzensgeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folge zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und die Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die schwere der Verletzungen und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands, abgelten und die durch Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen.
In die Globalbemessung des Schmerzensgeldes sind neben den bereits erlittenen Schmerzen auch künftige, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartende körperliche und seelische Schmerzen mit einzubeziehen. Unter diesem Gesichtspunkt ist etwa auch das Bewusstsein eines die gewohnte Lebensgestaltung nachhaltig beeinflussenden Dauerschadens und die damit verbundene seelische Belastung sowie das Gefühl der Todesangst bei der Bemessung des Schmerzensgeldes in Betracht zu ziehen.
In einer aktuelle Entscheidung des Obersten Gerichtshofes zu 2 Ob 175/14 w wurde die bisherige Rechtsprechung zur Höhe von Schmerzensgeldansprüchen bei schweren Verletzungen mit Dauerfolgen dahingehend weiterentwickelt, dass erstmalig einem Geschädigten ein Schmerzensgeld in der Höhe von € 130.000,00 zugesprochen wurde, obwohl die Voraussetzungen nach der bisherigen Rechtsprechung für ein derart hohes Schmerzensgeld, nämlich das Vorliegen von Lähmungen oder hirnorganischen Psychosyndromen, nicht vorlagen. So hat der Oberste Gerichtshof im Rahmen seiner bisherigen Rechtsprechung zum Schmerzensgeld in der Entscheidung zu 2 Ob 104/06 t für einen 20jährigen Mann mit schwerem Schädel-Hirn-Trauma samt (nahezu) apallischem Syndrom (Wachkoma) mit Lähmung aller Extremitäten und ohne sprachliche Äußerungsmöglichkeit ein Schmerzensgeld in der Höhe von € 180.000,00 für angemessen erachtet.
In der Entscheidung zu 2 Ob 180/04 s wurde einem zum Unfallszeitpunkt 41 Jahre alten Mann für ein schwerstes Schädel-Hirn-Trauma mit Gehirnquetschung, Hirnödem, Mittelgesichtsfraktur, Nasenbeinfraktur, Abknicktrauma der Halswirbelsäule, Tetraspastik mit Verkürzung der Muskulatur, schwersten Gehbehinderungen und 100 %ige Minderung der Erwerbsfähigkeit ohne Besserungsaussicht ein Schmerzensgeld in der Höhe von € 160.000,00 zuerkannt.
Die Klägerin im Verfahren zu 2 Ob 175/14 w litt weder an vergleichbaren Gehirnschäden bzw. Lähmungen und würden ihre Verletzungen im Rahmen der bisherigen Schmerzengeldjudikatur des Obersten Gerichtshofes maximal ein Schmerzensgeld in der Höhe von € 80.000,00 rechtfertigen. Der Oberste Gerichtshof hat aber in dieser Entscheidung die besonders massive beeinträchtigende Dauerfolge einer sklerosierende Cholangitis mit der Problematik des ungewissen Wartens auf eine Spenderleber und die damit im Zusammenhang stehende ständige Todesangst als besonderen Umstand beim Schmerzensgeld berücksichtigt und der Klägerin ein Schmerzensgeld in der Höhe von € 130.000,00 zugesprochen.
Der dieser Entscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt ist ganz wesentlich dadurch geprägt, dass die Klägerin durch einen Unfall aus einem besonders sportlich aktiven Leben gerissen wurde und nunmehr neben der massiven Beeinträchtigung ihres Allgemeinzustands – der ihr seit diesem lebenseinschneidenden Ereignis jegliche sportliche, aber auch sexuell-partnerschaftliche Aktivitäten verunmöglicht und dessen wahrscheinliche Verschlechterung allenfalls sogar dazu führen wird, dass ihr in Zukunft auch das Gehen unmöglich sein wird – in einer zeitlich unbegrenzten ständigen Unsicherheit wegen des Zustands ihrer Leber und deren voraussichtlich erforderlicher Transplantation lebt.
Diese Umstände, insbesondere die zeitlich unbegrenzte Todesangst rechtfertigen eine erhebliche Erhöhung des Schmerzensgeldes im Ausmaß von € 130.000,00. Mit diesem Urteil wurde einer Geschädigten erstmalig ein derart hohes Schmerzensgeld zugesprochen, im Rahmen der bisherigen Schmerzensgeldjudikatur wurde ein derart hohes Schmerzensgeld erst bei Vorliegen von Lähmungen oder hirnorganischen Psychosyndromen zugesprochen.
Diese Zukunfts- und Todesangst, die als seelische bedingter Folgeschaden der Verletzungshandlung ersatzfähig ist, liegt im gegenständlichen Fall in einem zeitlich besonders ausgedehnten Ausmaß vor und stellt damit eine in die Schmerzensgeldbemessung einfließende, ganz wesentliche Verletzungsfolge dar.
Darüber hinaus ist die Zuerkennung höherer Schmerzensgeldbeträge im Vergleich zu früheren Schmerzensgeldzusprüchen einerseits aufgrund der inflationsbedingten Geldentwertung und andererseits aufgrund der oben zitierten Rechtsprechung, wonach das Schmerzensgeld tendenziell nicht zu knapp zu bemessen ist, gerechtfertigt.
All das waren zusammenfassend die Argumente des OGH, um der Geschädigten ein Schmerzensgeld in dieser – bisher aufgrund derartiger Verletzungen nicht möglichen Höhe – von € 130.000,00 zu zusprechen. Eine genaue Kenntnis der aktuellen Schmerzensgeldjudikatur ist somit für einen mit Schadenersatzansprüchen befassten Anwalt unbedingt erforderlich, dies umso mehr, da auch in Zukunft aufgrund Berücksichtigung der inflationsbedingten „Verdünnung“ des Geldwertes mit weiteren Höchstzusprüchen zu rechnen ist. Dies gilt natürlich auch für Ansprüche aus dem Titel der Verunstaltungsentschädigung.