Schmerzengeld bei Totgeburt im Rahmen eines Behandlungsfehlers

Zur Zuerkennung von Schmerzengeld bei Totgeburt

OGH 1 Ob 114/16w

2.1. Trauer ist die typische Reaktion, die beim Tod oder einer sehr schweren Verletzung eines nahestehenden Menschen zu erleiden und zu bewältigen ist. Wenn ein solcher Verlust oder die schwere Verletzung nicht mehr mit der normalen Trauerreaktion verarbeitet werden, also dann, wenn die Grenze zur krankheitswertigen psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung überschritten wird (dh wenn Trauer krank macht im Sinne einer pathologischen Trauerreaktion [vgl Beisteiner, Angehörigenschmerzengeld – Der Ersatz von Schock- und Trauerschäden bei Tötung oder Schwerstverletzung naher Angehöriger, 2009, 4 f]), und demnach aus ärztlicher Sicht ein Behandlungsbedarf besteht (Reischauer in Rummel, ABGB³ § 1325 ABGB Rz 1), kann – bei Hinzutreten weiterer Voraussetzungen – der Ausgleich der damit verbundenen Leiden vom Schädiger verlangt werden. Durch das Erleiden eines „Nervenschadens“ sind nämlich diese Personen in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar Geschädigte anzusehen (vgl RIS-Justiz RS0116865; vgl auch RS0031111). Solche psychischen Beeinträchtigungen eines Dritten mit Krankheitswert werden häufig „schockartig“ durch das Miterleben eines Unfalls oder die Konfrontation mit einem Unfallsgeschehen [„Todesnachricht“] (vgl Harrer in Schwimann, ABGB3 Anh § 1325 ABGB Rz 1; Huber in Schwimann, ABGB-TaKom³ § 1325 Rz 134 f) ausgelöst, weswegen sich dafür in der Rechtssprache die Bezeichnung „Schockschaden“ eingebürgert hat. Sie können sich aber auch durch das Miterleben des etwa durch einen ärztlichen Behandlungsfehler verursachten Todes (9 Ob 83/09k = SZ 2010/79; 4 Ob 71/10k = ZVR 2011/5, 13, krit Kathrein) oder im Zuge der Betreuung nach einer schwersten Verletzung (erst) einstellen (2 Ob 163/06v = SZ 2007/96; Danzl in KBB4 § 1325 Rz 29; Huber aaO Rz 139 je mwN). Bleibt es bei der „normalen“ Trauerreaktion, dann spricht man von „bloßen“ Trauerschmerzen. Ein solcher Seelenschmerz über den Verlust eines nahen Angehörigen, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung im Sinne des § 1325 ABGB geführt hat, ist nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers auszugleichen (RIS-Justiz RS0115189).

2.2. Wie beim sogenannten „Schockschaden“, dem Trauerschaden mit Krankheitswert, wird auch für den Anspruch auf (bloßes) Trauerschmerzengeld, um der Gefahr einer unzumutbaren Ausweitung der Haftung des „Erstschädigers“ für solche „Fernwirkungsschäden“ zu begegnen, das Zurechnungselement der Verletzungshandlung gegenüber einem nahen Angehörigen verlangt. Der „Schock“ (die psychische Beeinträchtigung) muss im Hinblick auf seinen Anlass verständlich sein (RIS-Justiz RS0116865). Wesentlicher Ausgangspunkt für die Beurteilung des Umfangs des Angehörigenbegriffs ist, dass die Verletzungshandlung gegenüber dem „Angehörigen“ typischerweise in hohem Maß geeignet erscheint, einen „Schockschaden“ herbeizuführen (vgl RIS-Justiz RS0116866), dh dass vom schädigenden Dritten der „Schockschaden“ als typische Folge seiner Verletzungshandlung angesehen werden kann (vgl 2 Ob 79/00g = SZ 74/24; 8 Ob 127/02p = SZ 2002/110 ua; RIS-Justiz RS0117794). Dabei wird das familiäre Naheverhältnis je nach dem Verwandtschaftsgrad als typischerweise vorhanden vorausgesetzt („Kernfamilie“); so etwa zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Ehegatten oder Lebensgefährten (RIS-Justiz RS0115189 [T2, T6, T9, T20]). Schon bei Geschwistern wird darauf abgestellt, ob diese im gemeinsamen Haushalt leben. Ist dies der Fall, wird die enge Gefühlsbindung als typischerweise vorhanden vorausgesetzt, Gegenteiliges hat dann der Schädiger zu beweisen (RIS-Justiz RS0115189 [T3, T4].

Eine bloße Nahebeziehung, ohne mit dem Getöteten nah verwandt, verheiratet oder dessen Lebensgefährte gewesen zu sein reicht demnach nicht aus (2 Ob 15/07f = RIS-Justiz RS0115189 [T10]).

2.3. Die Revisionswerberin meint den Bestimmungen der §§ 16 und 22 ABGB entnehmen zu können, dass deshalb, weil das ABGB von „angeborenen“ Rechten spreche und die Rechtsfähigkeit des Nasciturus erst mit der Lebendgeburt beginne, eine wesentliche Voraussetzung für den Anspruch auf Trauerschmerzengeld, nämlich der Tod eines Menschen, fehle. Deswegen sei auch im Strafgesetzbuch vom Schwangerschaftsabbruch, nicht aber von der Tötung einer Leibesfrucht, geschweige denn eines Menschen die Rede.

Für den Anspruch auf Ersatz für Trauerschmerzen (mit oder ohne Krankheitswert) kommt es aber nicht darauf an, ob das geschädigte und deswegen seine Geburt nicht mehr er- oder überlebende Kind rechtsfähig in dem Sinne ist, dass es Rechte im eigenen Namen geltend machen könnte. Vielmehr ist danach zu fragen, ob sein Tod (oder seine Verletzung) von der Rechtsgemeinschaft typischerweise als der eines nahen Angehörigen iSd §§ 1293, 1325 ABGB angesehen wird, eine Verletzungs- oder Tötungshandlung also auch aus Sicht des Schädigers (wie für jedermann) in hohem Maße geeignet ist, bei den Eltern eine psychische Beeinträchtigung (auch mit Krankheitswert) auszulösen.

Das Bestehen einer intensiven affektiven Beziehung zwischen den werdenden Eltern und ihrem noch ungeborenen Kind, die den Anspruch auf Trauerschmerzengeld rechtfertigen kann, wird in der Lehre bejaht. Huber (in Schwimann, ABGB-TaKomm3 § 1325 ABGB Rz 142) geht davon offenbar für beide Elternteile schon ab der Zeugung aus, Pscheidl/Gerstner (Die Bedeutung der Geburt im Strafrecht, RdM 2006, 132 [138 f]) tun dies „jedenfalls für die letzten Wochen der Schwangerschaft und jedenfalls für die Schwangere selbst“. Beisteiner (aaO 343 f) vertritt die Ansicht, dass eine Frau nach allgemeiner Lebenserfahrung zu dem in ihrem Leib heranwachsenden Wesen regelmäßig eine intensive affektive Beziehung auspräge, weshalb sowohl der Schock- als auch der bloße Trauerschaden unter den allgemeinen Voraussetzungen ersatzfähig sei. Hingegen entwickle der Vater zu dem im Mutterleib heranwachsenden Kind nur unter ganz außergewöhnlichen Umständen eine derart enge, die Abgeltung eines bloßen Trauerschadens rechtfertigende Gefühlsbeziehung.

Das OLG Graz erachtete in seinem – unangefochten in Rechtskraft erwachsenen und nicht veröffentlichten – Berufungsurteil 3 R 127/13s den Zuspruch eines Trauerschmerzengeldes von 10.000 EUR an einen Vater als angemessen, der zu der Nascitura laut den Feststellungen bereits eine enge Gefühlsbeziehung entwickelt hatte. Konrad/Nitsch (Trauerschaden des Vaters bei Tod des Kindes während des Geburtsvorgangs, ÖJZ 2014/76, 477) pflichten dieser Einschätzung in jeder Hinsicht bei und vertreten den Standpunkt, die enge Gefühlsgemeinschaft zwischen dem Vater und der Leibesfrucht sei grundsätzlich zu vermuten.

Der erkennende Senat teilt für den Fall eines erwünschten Kindes den Standpunkt des Berufungsgerichts, dass die werdenden Eltern an dieses von Anfang an typischerweise freudige Erwartungen, Sehnsüchte und intensive Gefühle knüpfen. Mit der Zeit, in der sich das „Kind“ ab seiner Zeugung entwickelt und heranwächst, gewinnt auch die ab Kenntnis von der Schwangerschaft vorhandene emotionale Bindung an affektiver Tiefe. Die vorzeitige Beendigung einer Schwangerschaft und das Absterben des erwünschten „Kindes“ geht typischerweise mit tiefen Verlustgefühlen einher. Für die Eltern ist gefühlsmäßig eben nicht eine „Schwangerschaft abgebrochen“ und eine „Leibesfrucht“, aber nicht ein Mensch, gestorben, sondern „ihr Kind“.

Auch in der österreichischen Rechtsordnung wird dieser innigen Verbundenheit der schon nach dem Sprachgebrauch als Eltern – wenn auch als „werdende“ – bezeichneten Menschen mit ihrem noch ungeborenen Kind und der bei dessen Ableben folgenden tief empfundenen Trauer Rechnung getragen. Gemäß § 28 Abs 2 Personenstandsgesetz (PStG – BGBl 1983/60 in der zum Zeitpunkt der zu beurteilenden Totgeburt geltenden Fassung BGBl I 2009/135) war dann, wenn ein Kind tot geboren wurde, das Geschlecht, die allenfalls von den Eltern vorgesehenen und bekannt gegebenen Vornamen, der Tag und der Ort der Geburt des Kindes sowie der Familienname der Eltern oder der Familien- oder der Nachname der Elternteile, die Vornamen und der Wohnort der Eltern ins Sterbebuch einzutragen (vgl nun § 29, § 32 Abs 1 PStG 2013, BGBl I 2013/16). Die mit BGBl I 1999/91 ermöglichte Angabe auch des Vornamens beruhte auf dem Gedanken, dass es für Eltern besonders schmerzlich sei, dass nach bis dahin geltender Rechtslage ihr totgeborenes Kind keinen Vornamen erhalte und dies oft mit einer großen psychischen Belastung verbunden sei. Die beabsichtigte Änderung sollte daher aus menschlichen Erwägungen und aus Respekt vor den Gefühlen der betroffenen Eltern diesen die Möglichkeit eröffnen, die vorgesehenen Vornamen zu dokumentieren (IA 1014/A BlgNR XX. GP 2). Totgeburten (bei einem Gewicht der Leibesfrucht von 500g oder mehr [siehe auch § 8 HebammenG – BGBl 1994/310 idF BGBl I 1999/116; nun idF BGBl I 2013/197]) und Fehlgeburten gelten in Wien als Leichen, sind nicht nur einer Totenbeschau zu unterziehen, sie müssen bestattet werden (§§ 1, 19 Wiener Leichen- und Bestattungsgesetz – WLBG; LGBl 2004/38). Deutlich kommt, jedenfalls im zweiten Punkt, das Bestreben des Landesgesetzgebers zum Ausdruck, für einen pietätvollen Umgang mit den Gefühlen der Eltern und deren Trauer um ein tot geborenes Kind zu sorgen.

Anlässlich der Entscheidung 2 Ob 265/66 (= SZ 39/173 = JBl 1967, 525) hatte der Oberste Gerichtshof (noch vor der Entwicklung der Rechtsprechung zur Zuerkennung von Schock- oder Trauerschmerzen) über einen Anspruch auf Schmerzengeld wegen einer von der damaligen Klägerin im Zuge eines Unfalls erlittenen [eigenen] Verletzung ua mit der Folge einer Fehlgeburt im dritten Monat zu urteilen. Zum Verhältnis einer werdenden Mutter zu ihrem „Kind“ nahm er schon damals den Standpunkt ein, es könne zwar nicht gesagt werden, dass mit einer jeden Fehlgeburt seelische Beeinträchtigungen verbunden seien, erfahrungsgemäß sei dies aber doch in den Fällen anzunehmen, in denen es sich um ein erwünschtes Kind handle.

2.4. Dass spätestens dann, wenn das noch ungeborene Kind durch seine Bewegungen im Mutterleib – auch vom Vater – gespürt werden kann, typischerweise bei beiden Elternteilen eine auf intensiver familiärer Bindung beruhende Nahebeziehung zu ihrem „Kind“ im Sinn eines „Angehörigen“ vorliegt, die zu vermuten ist, unterliegt bei einem erwünschten Kind keinem Zweifel. Das gilt umso mehr, wenn wie hier das ungeborene Kind schon so weit entwickelt war, dass es – weniger als drei Wochen vor dem errechneten Geburtstermin – lebensfähig gewesen war und durch einen Kaiserschnitt oder die Einleitung der Geburt gerettet werden hätte können. Ein solcher Fall ist nicht anders zu beurteilen, als ob es bei der Geburt oder unmittelbar danach gestorben wäre. Die massive Beeinträchtigung beider Elternteile durch das Absterben eines „Kindes“ wenige Wochen vor dem errechneten Geburtstermin ist nicht nur bei der Mutter, sondern auch beim Vater eine für den Schädiger vorhersehbare Folge. Ein totgeborenes Kind ist daher jedenfalls in den letzten Wochen vor dem errechneten Geburtstermin für beide Elternteile „Angehöriger“ und Teil der „Kernfamilie“; sowohl bei der werdenden Mutter als auch beim werdenden Vater ist eine intensive Gefühlsbindung zu vermuten; das Gegenteil hätte der Schädiger zu beweisen.

  1. Zur Frage des im vorliegenden Fall zugrunde zu legenden Verschuldensgrades meint die Beklagte, weil noch nicht höchstgerichtlich beurteilt worden sei, ob grobe oder leichte Fahrlässigkeit vorgelegen sei, sei dies nun zu prüfen.

Der Verschuldensgrad war für den mit dem Teilurteil erfolgten Zuspruch von Begräbniskosten, Spesen und in Erwartung des Kindes getätigten Aufwendungen der Klägerin ohne Bedeutung gewesen; lediglich beim bloßen Trauerschmerzengeld des Klägers war er entscheidungsrelevant. Nach dem nun zu beurteilenden Sachverhalt im bekämpften Endurteil, das erstmals über Schmerzengeld der Klägerin abspricht, waren – wie schon das Berufungsgericht festhielt – die Eltern durch die Totgeburt nicht nur in Trauer versetzt worden, sondern es hatten beide auch psychische Beeinträchtigungen von Krankheitswert erlitten. In ihrer Berufung gegen das Endurteil wandte sich die Beklagte vor allem dagegen, dass nach den Feststellungen des Erstgerichts angeblich aktenwidrig die vom Gutachter genannten Schmerzperioden nur die krankheitswerten Schockschäden, nicht aber alle mit der Trauer verbundenen Beschwerden (somit auch die nicht krankheitswerten Beeinträchtigungen) umfassten. Sie strebte Ersatzfeststellungen an, wonach die festgestellten Perioden sämtliche mit der Trauer verbundenen Beschwerden in sich begriffen. Diese hielt sie für relevant, weil sich nach ihrem – nun auch in der Revision in gleicher Weise vertretenen – Standpunkt daraus ergeben hätte, dass der Klägerin ein Schadenersatzbetrag von 4.730 EUR und dem Kläger ein solcher von 3.630 EUR und zwar jeweils (und ausdrücklich) für „sämtliche Schock- und Trauerschäden“ zustehe. Auch im Rahmen der Ausführung des Berufungsgrundes der unrichtigen rechtlichen Beurteilung bemängelte sie den Zuspruch des Trauerschmerzengeldes nicht etwa deswegen, weil grobes Verschulden nicht zur Grundlage zu machen gewesen wäre und daher dieses (von ihr auch zitierte) Erfordernis für den Zuspruch von bloßen Trauerschmerzen fehle, sondern mit der Argumentation, das Höchstgericht spreche in seiner Entscheidung 2 Ob 84/01v, wonach im Falle eines qualifizierten Verschuldens des Schädigers bei Tötung naher Angehöriger auch bloßer Gefühlsschaden der trauernden Angehörigen zu ersetzen sei, ausdrücklich von der „Tötung eines geliebten Menschen“ als Voraussetzung für diesen Anspruch; weil die Rechtsfähigkeit des Nasciturus erst mit der Lebendgeburt beginne, sei eine wesentliche Voraussetzung für den Anspruch, nämlich der Tod eines nahen Angehörigen, nicht erfüllt, was nun neben der bemängelten zu hohen Bemessung des Schmerzengeldes auch den Schwerpunkt der Revision bildet. Damit wandte sie sich aber nicht gegen die Beurteilung, es sei von grobem Verschulden auszugehen, und zwar auch nicht, als sie unter dem Titel „Doppelverwertung“ von Schmerzperioden in Wahrheit ihre Behauptungen zu einer vermeintlich unrichtigen Lösung der Tatfrage (beruhend auf der zuvor erwähnten angeblichen „Aktenwidrigkeit“) wiederholte oder darlegte, es handle sich um alternative Anspruchsvoraussetzungen, eine Addition der Bemessungshilfen sei unzulässig. Sie war vielmehr – ohne die Beurteilung des Verhaltens der behandelnden Ärzte als grob fahrlässig zu beanstanden – der Ansicht gewesen, dass ein allfälliges Trauerschmerzengeld zu hoch bemessen worden sei und richtigerweise nur ein Schmerzengeld von 5.000 EUR bzw 4.000 EUR zustehe. Wenn in der Berufung nur in bestimmten Punkten die Rechtsrüge ausgeführt wird, kann ein anderer selbständig zu beurteilender Punkt in der Revision nicht mehr geltend gemacht werden (vgl RIS-Justiz RS0043338 [T13, T27]).

Damit ist als Zwischenergebnis festzuhalten, dass den Klägern der Ersatz sowohl für erlittene krankheitswerte als auch für „bloße“ Trauerschmerzen für die durch die grob fahrlässige Fehlbehandlung verursachte Totgeburt dem Grunde nach zusteht.

 

4.1. Auch Schmerzengeld wegen seelischer Schmerzen ist global zu bemessen (2 Ob 141/04f = ZVR 2004/86; 2 Ob 135/07b = ZVR 2008/59 [Ch. Huber]; 2 Ob 99/08k ua). Der Oberste Gerichtshof unterstrich zuletzt in seiner Entscheidung zu 2 Ob 143/15s, in deren Fall so wie im vorliegenden grobes Verschulden des Schädigers und neben bloßen Trauerschmerzen auch krankheitswerte Beeinträchtigungen bei den Eltern des „erstgeschädigten“ [bei einem Unfall ums Leben gekommenen] Kindes vorlagen, unter Verweis auf die bisherige Rechtsprechung, dass der Begriff „seelische Schmerzen“ sowohl solche mit als auch solche ohne Krankheitswert erfassen soll und zur „bloßen“ Trauer hinzutretende Gesundheitsbeeinträchtigungen sich (nur) erhöhend auswirken. Ein „gesonderter Zuspruch“ habe folglich – trotz des Hinzutretens eines weiteren Zurechnungsgrundes – nicht zu erfolgen (siehe auch 2 Ob 141/04f ua).

Wenn die Revisionswerberin in diesem Zusammenhang die zu 2 Ob 212/04x gebrauchte Formulierung, dass (damals) die „alternativen Anspruchsvoraussetzungen sowohl des ‚Schockschadens‘ mit Krankheitswert (RIS-Justiz RS0116865; RS0116866) als auch der hier eindeutig gegebenen groben Fahrlässigkeit des Schädigers – unabhängig von einer Gesundheitsschädigung – (RIS-Justiz RS0115189) erfüllt“ gewesen seien, dahin auslegt, dass deswegen, weil es sich um alternative Anspruchsvoraussetzungen handle, neben dem Ersatz für den „Schockschaden“ kein zusätzliches Schmerzengeld für die Unbill der „physiologischen Trauer“ zustehe, missversteht sie die Rechtsprechung des Höchstgerichts.

Da das Schmerzengeld die Genugtuung für alles Ungemach ist, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat, sind in die Globalbemessung des Schmerzengeldes neben den bereits erlittenen Schmerzen auch künftige, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartende (körperliche und seelische) Schmerzen einzubeziehen (2 Ob 175/14w mwN). Die konkrete Höhe der in einem bestimmten Einzelfall angemessenen Abgeltung für den (gesamten) Trauerschmerz ergibt sich bei einer solchen Globalbemessung folglich aus einer an die Feststellung von Schmerzperioden anknüpfenden, aber nicht darauf beschränkten Gesamtbetrachtung (2 Ob 143/15s mwN; vgl etwa 2 Ob 99/08k, in welchem Fall [nur] die psychische Erkrankung [komprimiert] zwei bis drei Wochen mittelstarke und fünf bis sechs Wochen leichtgradige seelische Schmerzen zur Folge hatte und doch insgesamt 20.000 EUR zugesprochen worden waren).

4.2. Bei der gebotenen Globalbemessung für den gesamten Trauerschmerz (mit und ohne Krankheitswert) kommt der Revision auch zur Höhe des zugesprochenen Schmerzengeldes keine Berechtigung zu:

Die von der Revisionswerberin als hier nicht vorliegend und daher das Schmerzengeld angeblich mindernd genannten Kriterien, wie etwa das Alter des Verstorbenen oder das Bestehen einer Haushaltsgemeinschaft (vgl dazu RIS-Justiz RS0031111 [T9, T19]; RS0115189 [T11]), sind dabei bloß Hilfstatsachen, also Indizien, aus denen in der Regel auf die im Einzelfall nur schwer beweisbare Intensität der Gefühlsgemeinschaft geschlossen werden kann (2 Ob 55/08i = RIS-Justiz RS0123936). Nach den Feststellungen war im vorliegenden Fall eine innige Gefühlsgemeinschaft der sich freudig auf ein Kind vorbereitenden Eltern vorhanden und ist eben das Trauerschmerzengeld nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) festzusetzen und nicht (etwa nach der Anzahl der gemeinsam verbrachten Jahre oder nach dem Alter von Opfer und Angehörigen) zu berechnen.

 

Im Fall der von der Revisionswerberin zitierten Entscheidung 2 Ob 212/04x war die Zuerkennung von ungekürzt 11.000 EUR durch das Begehren begrenzt gewesen; im Fall jener zu 2 Ob 55/08i (jeweils 15.000 EUR an die Eltern der verstorbenen 19-jährigen Tochter) hatten es die Kläger geschafft, die belastende Situation ohne wesentliche physische oder psychische Erkrankungen zu überwinden. Die Eltern eines ca 18-jährigen Sohnes erhielten in dem der Entscheidung 2 Ob 143/15s zugrunde liegenden Fall 30.000 EUR und 25.000 EUR. 35.000 EUR als Schmerzengeld wurden im Fall einer nach dem Tod der Mutter zu Selbstmord führender Depression des Angehörigen ausgemessen (2 Ob 135/07b). Ebenso wurden 20.000 EUR Trauerschmerzengeld für die Eltern eines durch Unfall getöteten sechsjährigen Kindes nicht als überhöht angesehen (2 Ob 263/06z). Auch im vorliegenden Fall ist das zuerkannte Schmerzengeld von 20.000 EUR für die Mutter und 10.000 EUR für den Vater in einer Gesamtbetrachtung der Umstände, insbesondere unter Einbeziehung der nachfolgenden Fehlgeburten und angsterlebten Schwangerschaften nicht überhöht. Die Klägerin musste nicht nur die Ängste und nachfolgenden Fehlgeburten in den Schwangerschaften am eigenen Leib – und daher wiederum näher – als der Vater erleiden. Sie war zudem zuvor durch die eigenen körperlichen Veränderungen in der Schwangerschaft mit dem erwarteten Mädchen und dessen für sie permanent wahrnehmbaren Entwicklung noch inniger verbunden gewesen; auch hatte sie die Anstrengungen und Schmerzen der Geburt eines toten „Kindes“ auf sich nehmen müssen.

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