Fällt das Schmerzengeld bei Kindern und Jugendlichen höher aus? In der Rechtsprechung wird bejaht, dass Kinder und Jugendliche möglicherweise einen höheren Anspruch auf Schmerzensgeld haben. Dies liegt daran, dass Verletzungen bei Kindern und Jugendlichen oft schwerwiegende Auswirkungen haben können, insbesondere auf ihre zukünftige Entwicklung und Lebensqualität. Anhand eines Falles wird dies infolge näher beleuchtet.
Der 14 Jahre alte Geschädigte erlitt als Beifahrer auf einem Motorfahrrad schwere Verletzungen. Durch eine sofortige Unterbindung der durchtrennten Oberschenkelarterie konnte dessen Leben erhalten werden, jedoch war eine Amputation des linken Beins im mittleren Oberschenkeldrittel im Übergang vom ersten zum zweiten Drittel notwendig. Aufgrund der starken Verschmutzungen war eine Replantation des Beins nicht möglich. Der Verletzte hat noch Phantomschmerzen. Er hat sich zwar an seinen Zustand gewöhnt, jedoch hat der Verlust des Beines erheblichen Einfluss auf sein Leben. Er war vor dem Unfall sportlich aktiv, spielte in einer Fußballmannschaft und ging auch anderen sportlichen Aktivitäten nach. Der Minderjährige erlernt derzeit den Beruf eines Orthopädietechnikers und er hat vor, in Zukunft zu heiraten. Er ist jedoch nicht mehr in der Lage, bei Fußballspielen zuzusehen und auch nicht bereit, am Strand baden zu gehen. Menschenansammlungen, insbesondere auch Konzerte, meidet der Verletzte, was auch die die Lebensführung massiv beeinträchtigt.
Schmerzengeld bei Kindern und Jugendlichen – Genugtuung für alles Ungemach
Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den Gesamtkomplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und die Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzungen und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands abgelten und die durch Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen. Das Schmerzengeld ist nach freier Überzeugung unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat und voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, grundsätzlich global festzusetzen. Tendenziell erscheint es geboten, das Schmerzengeld nicht zu knapp zu bemessen. In die Globalbemessung des Schmerzengelds sind neben den bereits erlittenen Schmerzen auch künftige, nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge zu erwartende körperliche und seelische Schmerzen einzubeziehen. Unter diesem Gesichtspunkt kann etwa auch das Bewusstsein eines die gewohnte Lebensgestaltung nachhaltig beeinflussenden Dauerschadens und die damit verbundene seelische Belastung bei der Bemessung des Schmerzengelds in Betracht zu ziehen sein.
Was ist in die Globalbemessung von Schmerzengeld bei Kindern und Jugendlichen einzubeziehen?
- Bewusstsein eines die gewohnte Lebensgestaltung nachhaltig beeinflussenden Dauerschadens und die damit verbundene seelische Belastung
- Sorgen des Verletzten um die Wiederherstellung der Gesundheit
- Sorgen des Verletzten um die Möglichkeit der späteren Berufsausübung
- Sorgen des Verletzten um um die Versorgung und Pflege in der Familie
- Alle Beeinträchtigungen, die nach Art der Dauerfolgen den Geschädigten an der Teilnahme an jenen Lebensfreuden hindern, die er vor dem Unfall genießen konnte und genossen hat
Tendenziell erscheint es geboten, das Schmerzengeld bei Kindern und Jugendlichen nicht zu knapp zu bemessen, wobei allein aufgrund der inflationsbedingten Geldentwertung die Zuerkennung von im Vergleich zu früheren Schmerzengeldzusprüchen höheren Beträgen gerechtfertigt ist.
Welchen Einfluss hat das Lebensalter auf die Bemessung von Schmerzengeld?
Was den Einfluss des Lebensalters des Verletzten auf die Schmerzengeldbemessung anlangt, so wird dieser in der Rechtsprechung grundsätzlich bejaht und wurde dazu ausgeführt, dass bei der Festsetzung des Schmerzengelds bei Kindern und Jugendlichen auch das Ungemach, das der Verletzte voraussichtlich noch zu erdulden haben werde, zu berücksichtigen sei.
In der Literatur wird vertreten, dass bei Kindern für Dauerschäden wegen der größeren Länge der Dauerfolge ein Zuschlag zum Schmerzengeld zuzugestehen sei. Es gehe dabei nicht um eine unterschiedliche Bewertung der Verletzung an sich, sondern um die Berücksichtigung der Schwere und Dauer des Leidens. Der Verletzte sei etwa durch eine Lähmung oder den Verlust von Gliedmaßen weniger betroffen, wenn er den größten und besten Teil seines Lebens schon hinter sich gebracht habe, als dann, wenn er fast das gesamte Leben noch vor sich habe.
Dem Jugendlichen entgehe wesentlich mehr, der Großteil seiner Pläne könne nicht mehr verwirklicht werden und dementsprechend empfinde er den Verlust seiner Bewegungsfähigkeit als viel gravierender und viel intensiver. Diese Umstände seien auch in die Bemessung einzubeziehen. Im Ergebnis werde daher das Schmerzengeld etwa für die Lähmung oder Beinamputation bei einem Jugendlichen erheblich höher ausfallen müssen als für einen älteren Menschen.
Die Bedeutung des Zeitfaktors ist somit bei Kinder und Jugendlichen bei der Bemessung ideeller Schäden wie beim Schmerzengeld entsprechend mit zu berücksichtigen.
Wieviel Schmerzengeld wurde dem jungen Verletzten zugesprochen?
Insgesamt wurde dem Verletzten mit Urteil I. Instanz vom 11/2007 ein Schmerzengeld in der Höhe von € 80.000,00 und eine Verunstaltungsentschädigung von € 20.000,00 zugesprochen. Aufgrund der inflationsbedingten Geldentwertung ist die Zuerkennung von im Vergleich zu früheren Schmerzengeldzusprüchen höheren Beträgen gerechtfertigt. Würde ein Gericht über einen identen Schadenfall entscheiden müssen, würde sich aufgrund der vorzunehmenden Valorisierung für einen Zeitraum von fast 16 Jahren ein Schmerzengeld in der Höhe von ca. € 118.000,00 und eine Verunstaltungsentschädigung von ca. € 29.500,00 ergeben.