Höchstgerichtliche Grundsätze zum Schmerzengeld

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Höchstgerichtliche Grundsätze zum Schmerzengeld, Schmerzengeldbemessung  und Schmerzengeldentscheidungen:

Das Schmerzengeld stellt grundsätzlich eine Globalabfindung für alle eingetretenen und für alle nach dem gewöhnlichen Lauf der Dinge zu erwartenden künftigen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen durch die Unfallfolgen dar (RIS-Justiz RS0031300RS0031307RS0031015 [T3]; zuletzt 3 Ob 241/10b). In aller Regel ist das Schmerzengeld daher als einmaliger Globalbetrag zu bemessen.

Nach der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs ist die Beurteilung der Höhe des angemessenen Schmerzengeldes von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Zur Vermeidung einer völligen Ungleichmäßigkeit der Rechtsprechung ist aber auch ein objektiver Maßstab anzulegen, indem der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen für die Bemessung im Einzelfall nicht gesprengt wird (RIS-Justiz RS0031075).

Das derzeit höchste Schmerzengeld wurde vom LG Innsbruck 27. 6. 2016, 69 Cg 36/11 k mit einem Betrag in der Höhe von € 250.000,00 zugesprochen. Dabei handelt es sich um einen unbekämpften Zuspruch der I. Instanz, ohne Überprüfung durch das Höchstgericht für ein neunjähriges Mädchen (Sonderschülerin), das 2 Monate nach seiner Geburt zufolge ärztlichen Narkosefehlers bei Hernienoperation aufgrund Sauerstoffmangels (hypoxisch-ischämisches Ereignis) eine irreparable Hirnschädigung mit einer alle Körperteile und –funktionen betreffenden schwersten globalen psychomotorisch-kombinierten Entwicklungsstörung iVm einer Kombination von motorischen, perzeptiven, sprachlichen, sozialen und emotionalen Auffälligkeiten sowie lebenslanger Pflegebedürftigkeit, absoluter Immobilität (kann nicht einmal ihre Körperposition im Bett selbständig verändern), Stuhl- und Harninkontinenz, völlig verzerrten visuellen, akustischen, kinästhetischen, gustatorischen, taktilen und olfaktorischen Sinneswahrnehmungen sowie aufgrund ihrer geistigen Behinderung auch Unfähigkeit, die Sprache für und in der menschlichen Interaktion zu benutzen, ohne Besserungsaussichten erlitt.

Das OLG Linz als Berufungsgericht hat am 21. 10. 2014, zu 2 R 150/14 p einen Schmerzengeldbetrag in der Höhe von € 220.000 zugesprochen. Dabei handelte es sich um einen 59-jährigem Mann mit komplettem Querschnittsyndrom ab etwa 10 cm über dem Bauchnabel und kompletter Aufhebung der Beweglichkeit der unteren Extremitäten; linke obere Extremität aufgrund Läsion des Armnervengeflechts nicht aktiv einsetzbar, rechte Hand nur zur Bedienung des elektrischen Rollstuhls sowie zum Erreichen des Mundes, des Kopfhaares und des Nackens; etliche weitere Knochenbrüche; muss Windelhosen tragen, Stuhlentleerungen nur mittels dreimal pro Woche durch geführtem Einlauf möglich, Harnlassen über suprapubischem Harnblasenkatheter, vollkommene Aufhebung der Sexualfunktion, kann aufgrund Schluckstörung nur püriertes und eingedicktes Essen zu sich nehmen, weiter Tracheostoma mit Sprechkanüle und ohne Besserungsaussichten.

In der Entscheidung des OGH vom 18. 4. 2002, zu 2 Ob 237/01v wurde das bisher höchste Schmerzengeld durch den OGH mit € 218.018,50 (=ATS 3.000.000) zugesprochen. Diese Entscheidung betraf einen bei einem Geisterfahrerunfall schuldlos schwerstverletztem jungem Mann (neben Schädelhirntrauma des Grades II und zahlreichen Knochenbrüchen samt schweren inneren Verletzungen hohe Querschnittsymptomatik mit Lähmung des Rumpfes und aller vier Extremitäten, weiters Augenmuskellähmung und Lähmung des Atemnervs [bis an sein Lebensende künstliche Beatmungsnotwendigkeit, verbunden mit daraus resultierender ständiger Todesangst.

Bei der Bemessung der Höhe des Schmerzengeldes hat der OGH nachstehende Kriterien und Grundsätze entwickelt:

Das Schmerzengeld soll grundsätzlich eine einmalige Abfindung für das Ungemach sein, das der Verletzte voraussichtlich zu erdulden hat. Es soll den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen, auch soweit er für die Zukunft beurteilt werden kann, erfassen (vgl RIS-Justiz RS0031307, RS0031040 uva). Nach ständiger Rechtsprechung des OGH ist das Schmerzengeld nach freier Überzeugung (§ 273 ZPO) unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls für alles Ungemach, das der Verletzte bereits erduldet hat und voraussichtlich noch zu erdulden haben wird, grundsätzlich global festzusetzen (RIS-Justiz RS0031415; RS0031307).

Die Bemessung hat nicht nach starren Regeln, etwa nach Tagessätzen oder Schmerzperioden, zu erfolgen. Es ist vielmehr jede Verletzung in ihrer Gesamtauswirkung nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zu betrachten und auf dieser Basis eine Bemessung vorzunehmen (RIS-Justiz RS0031415 [T7 und T8]; Harrer in Schwimann/Kodek, ABGB4 § 1325 Rz 72 mwN, Reischauer in Rummel, ABGB3 § 1325 Rz 45).

Wenngleich bei der Bemessung des Schmerzengelds auf die Umstände des Einzelfalls Bedacht zu nehmen ist, ist doch zur Vermeidung von Ungleichheiten auch ein objektiver Maßstabanzulegen, wobei der von der Judikatur ganz allgemein gezogene Rahmen bei der Bemessung nicht gesprengt werden darf RIS-Justiz RS0031075). Für die Bemessung des Schmerzengeldes ist somit der Vergleich mit ähnlich gelagerten Fällen angezeigt.

Darüber hinaus ist laut ständiger Rechtsprechung (3 Ob 128/11m) bei der Schmerzengeldbemessung auch die inflationsbedingte „Verdünnung“ des Geldwertes zu berücksichtigen.Nach der Rsp des OGH ist beim Vergleich jedoch die seit der Vorentscheidung eingetretene Geldentwertung zu berücksichtigen (zuletzt 2 Ob 214/14f = Zak 2015/439, 238). Müsste der OGH einen Fall mit ähnlich gelagerten Verletzungen wie in der Entscheidung des OGH vom 18.04.2002 zu 2 Ob 237/01 v jetzt entscheiden würde sich ein inflationsbedingt aufgewertetes Schmerzengeld mit Stand 05/2022 von ca. € 330.000,00 ergeben.

Von den durch die österreichischen Gerichte beauftragten Sachverständigen werden für den Aufenthalt auf einer Intensivstation sowie für Tag der Operation starke Schmerzen, für den Aufenthalt auf einer normalen Bettenstation mittelstarke Schmerzen und danach bis zum Behandlungsende sowie allenfalls für zukünftige Schmerzen leichte Schmerzen, gerafft auf 24 Stunden pro Tag leichte Schmerzen zugesprochen.

Schmerzperioden werden bemessen, in dem die Gesamtzeiträume, die der Verletzte an Schmerzen gelitten hat, auf einen 24-Stunden-Tag komprimiert und diese dann summiert werden. Diese „Komprimierung“ oder „Gesamtschmerzeinschätzung in geraffter Form“ ist notwendig, da der Verletzte unter Bedachtnahme auf jene Zeiträume, in denen er schläft oder in denen er schmerzstillende Medikamente zur Wirksamkeit kommen, nicht täglich 24 Stunden ununterbrochen an Schmerzen leidet.

Die Klassifikationskriterien für den jeweiligen Grad der Schmerzzustände belaufen sich nach der Definition von O. Univ.-Prof. Dr. Wilhelm HOLCZABEK wie folgt:

  • Starker Schmerzzustand, wenn Schmerz- und Krankheitsgefühl den Verletzten so beherrschen, dass er trotz Behandlung oder gerade wegen dieser nicht in der Lage ist, sich selbst von diesem Zustand zu abstrahieren, in dem er sich nicht ablenken, an nichts erfreuen kann, in dem er nur im wahrsten Sinn des Wortes ein Leidender, ein Schwerkranker ist;
  • Mittelstarker Schmerz-Leidenszustand, wenn sich dieser mit der Fähigkeit, sich von ihm zu abstrahieren, die Waage hält, wenn der Kranke also schon zu gewissen Interessenverwirklichungen bereit und fähig ist;
  • Leichter Schmerzustand, besteht dann, wenn der Patient über seinen Leidenszustand dominieren kann, er fähig ist, sich zu zerstreuen und ablenken, vielleicht sogar einer der Situation entsprechenden, vernünftigen Arbeit nachgehen kann, er ist aber keineswegs frei von Schmerzen und Unlustgefühlen.

Derzeit werden von den Gerichten, vor allem bei leichteren Verletzungen, für starke Schmerzen € 360,00, mittelstarke Schmerzen € 240,00 und leichte Schmerzen € 120,00 pro Tag zugesprochen.

Wichtig ist aber, dass die Bemessung des Schmerzengeldes nicht nach starren Regeln zu erfolgen hat, sodass es nicht nach Art eines Tarifs für einzelne Tage oder sonstige Zeiteinheiten aufgrund festgestellter Schmerzperioden berechnet werden kann. Vielmehr ist jede Verletzung in ihrer Gesamtauswirkung nach den besonderen Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu betrachten und auf dieser Basis eine Bemessung vorzunehmen (RIS-Justiz RS0125618). Schmerzperioden können nur als Berechnungshilfe herangezogen werden (RIS-Justiz RS0122794 [T4]). Es sind Art und Schwere der Verletzung, Art und Dauer der Schmerzen sowie die Dauer der Beeinträchtigung des Gesundheitszustands und die damit verbundenen Unlustgefühle zu berücksichtigen (RIS-Justiz RS0031474).

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