Im anhängigen Verfahren zu diesem Sachverhalt bin ich als Klagevertreter tätig, mittlerweile wurde die Haftung des Rechtsträgers des Krankenhauses und des behandelnden Arztes mit Urteil des OGH bestätigt. Diese Entscheidung wurde auch in der Fachzeitschrift Recht der Medizin, Ausgabe 01/2010 unter Leitsatz RdM-LS 2010/03 publiziert und kann auch der gesamte Text der Entscheidung im Rechtsinformationssystem (RIS) unter www.ris.bka.gv.at zu GZ 8 Ob 113/09 i abgefragt werden.
Meine Mandantin litt seit Jahren an Verdauungsproblemen (Obstipation), weswegen sie sich zu einem operativen Eingriff durch den beklagten Arzt entschlossen hat. Der Arzt hat meiner Mandantin als einzige Lösung für die bestehenden Verdauungsprobleme die Entfernung des Sigmas empfohlen und sich als Speziallist für solche Operationen bezeichnet. Das Ergebnis dieser vom Arzt vorgenommenen Operation waren mehrmalige Rehabaufenthalte und insgesamt 20 weitere notwendige vorfallskausale Operationen. Meine Mandantin schwebte tagelang in Lebensgefahr. Aufgrund dieser dramatischen Operationsfolgen leidet meine Mandantin an einem depressiven
Syndrom und befindet sich in psychotherapeutischer Behandlung. Weiters besteht bei ihr ein posttraumatisches depressives Stimmungsbild mit Krankheitswert und beträchtliche Dauer- Spätfolgeschäden, aufgrund welcher derzeit meine Mandantin nur mehr 20 Stunden wöchentlich arbeiten kann. Eine Verschlechterung des körperlichen und psychischen Zustandes ist zu erwarten.
Ich wurde meiner Mandantin als Fachanwalt für Arzthaftungsrecht empfohlen und hat mich diese
gebeten ihre Vertretung zu übernehmen. Zu diesem Zeitpunkt war meine Mandantin noch von einem anderen Rechtsanwalt vertreten, welcher versuchte, außergerichtlich die Haftung gegenüber den beklagten Parteien/deren Haftpflichtversicherung zu erwirken. Im Rahmen dieser außergerichtlichen
Vertretung wurden zwei Gutachten von anerkannten medizinischen Sachverständigen eingeholt, wobei beide Gutachter zur Ansicht gelangten, dass es sich hiebei um einen zwar äußerst tragischen und traurigen Vorfall handelt, die aber während der Operation und danach aufgetretenen Komplikationen waren nicht vorhersehbar, sodass weder dem Rechtsträger des Krankenhauses noch den Operateur selbst ein rechtswidriges und schuldhaftes Verhalten vorzuwerfen ist.
Mein Vorgänger hat im Rahmen der außergerichtlichen Vertretung die Ansprüche meiner
Mandantschaft auf den „klassischen“ Behandlungsfehler, nämlich Fehler bei der Operation selbst gestützt. Diese Anspruchsgrundlage wurde aber aufgrund der außergerichtlich eingeholten Sachverständigengutachten vernichtet. Mit dieser Information und der Tatsache, dass bereits ein Großteil der Deckungssumme aus der bestehenden Lebensversicherung für die außergerichtliche Vertretung und der eingeholten Gutachten aufgebraucht wurden, hat mich meine Mandantin verzweifelt um Rat gebeten.
Bei der vo meiner Mandantin vorgenommenen Operation handelt es sich um eine Wahloperation, welche nicht unbedingt notwendig war, da meine Mandantin ihr bisheriges Leben auf die bestehenden Verdauungsprobleme eingerichtet hat und auch in Zukunft mit diesen Problemen hätte weiterleben können. Ich habe meine Mandantin dahingehend beraten, dass in ihrem Fall als
Anspruchsgrundlage die Verletzung von Aufklärungspflichten durchaus Erfolg versprechend sein könnte. Die entsprechende Aufklärung durch den Arzt soll den Patienten in die Lage versetzen, in Kenntnis der wesentlichen Umstände und Folgen der in Aussicht genommenen Behandlung die Tragweite seiner Erklärung zu überschauen. Die Art und der notwendige Umfang der erforderlichen Aufklärung hängen immer von den konkreten Umständen ab. Es kommt auf die Dringlichkeit und/oder Lebensnotwendigkeit des geplanten Eingriffs ein. Ist der Eingriff, wie bei meiner Mandantin, nicht dringlich, muss der Arzt auch seltene Zwischenfälle und nachteiligen Folgen, auch wenn diese wenig wahrscheinlich sind, aufklären. Auf die typischen Risken einer Behandlung und einer Operation ist unabhängig von einer prozentmäßigen statistischen Wahrscheinlichkeit ihres Eintrittes vom behandelnden Arzt hinzuweisen/aufzuklären. So ist auch über das Auftreten von typischen Risken mit einer Wahrscheinlich von „gleich null“ aufzuklären. Die Typizität ergibt sich nicht aus der Komplikationshäufigkeit, sondern daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet und auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist.
In der von mir verfassten Klage wurde dann der Anspruchsgrund unter anderem auch auf Verletzung dieser bestehenden Aufklärungspflichten gestützt, aufgrund welcher die Haftung der beklagten Partei
letztendlich mittlerweile rechtskräftig festgestellt wurde. Der OGH hat in seinem Urteil vom 29.09.2009 zu GZ 8 OB 113/09 i dazu auch ausgesprochen, dass die Aufklärungspflicht umso umfassender ist, je weniger der Eingriff aus Sicht eines Patienten vordringlich ist. Gerade über typische mit einer Operation verbundene Gefahren ist aufzuklären, auch wenn diese nicht häufig, aber speziell mit dem geplanten Eingriff verbunden sind. Auch ändert sich an der Typizität des
aufzuklärenden Risikos dadurch nichts, dass die Komplikation an einem anderen Körperteil auftritt bzw. nicht auf den Eingriff selbst, sondern auf die dabei verwendete Lagerung zurückzuführen ist. Erschwerend hat der OGH auch ausgeführt, dass einen nicht unwesentlichen Unterschied macht, ob es dem Patienten, wie gegenständlich meiner Mandantschaft vom behandelnden Operateur mitgeteilt wird, dass diese Operation lediglich 3 bis 3 ½ Stunden dauert oder, wie tatsächlich,
fast 6 Stunden.
Nochmals zur Klarstellung, auch im gegenständlichen von mir geführten Verfahren wurde, wie auch bereits außergerichtlich, festgestellt dass die bei meiner Mandantin durchgeführte Operation fachgerecht (lege artis) durchgeführt wurde, trotzdem haben aufgrund Verletzung der bestehenden
Aufklärungspflicht sowohl der Rechtsträger des Krankenhauses wie auch der behandelnde Arzt selbst solidarisch für sämtliche Nachfolgeoperationen (20) und daraus entstehenden Dauer- Spätfolgeschäden zu haften.
Abschließend ist sohin festzustellen, dass gerade bei Wahloperationen, bei welchen der operative
Eingriff nicht dringlich und notwendig ist, wie z.B. bei sämtlichen kosmetischen Operationen und teilweisen orthopädischen Eingriffen eine besonders erhöhte Aufklärungspflicht derart besteht, dass der Arzt über sämtliche, auch äußerst unwahrscheinliche, Komplikationen aufzuklären hat. Erst nach erfolgter Aufklärung ist der Patient in der Lage, das Operationsrisiko entsprechend abzuwiegen, bei Verletzung dieser Aufklärungspflicht haben sowohl der Rechtsträger des Krankenhauses wie auch der behandelnde Arzt solidarisch für sämtliche daraus entstehenden Schäden und Folgen zu haften.
Trotz der bestehenden Dokumentationspflicht des behandelnden Arztes ist es mir in meiner
langjährigen Tätigkeit als Fachanwalt für Arzthaftungsrecht noch nie untergekommen, dass der operierende Arzt im von ihm verfassten Operationsbericht einen Fehler eingesteht oder diesen Operationsbericht derart formuliert, dass daraus ein rechtswidriges und schuldhaftes Handeln abzuleiten ist. Es verbleibt sohin oft als einzige erfolgreiche Anspruchsgrundlage die Verletzung der
ärztlichen Aufklärungspflicht. Im gegenständlichen Fall haben die Gerichte entschieden, dass meine Mandantin bei entsprechender Aufklärung der ersten Operation nicht zugestimmt hätte, sodass dieser für sämtliche daraus entstehenden Schäden und Folgen Schadenersatz zu leisten ist.