OGH: Zum Trauerschmerzengeld und Schockschaden
GZ 1 Ob 114/16w, 30.08.2016
Trauer ist die typische Reaktion, die beim Tod oder einer sehr schweren Verletzung eines nahe stehenden Menschen zu erleiden und zu bewältigen ist. Wenn ein solcher Verlust oder die schwere Verletzung nicht mehr mit der normalen Trauerreaktion verarbeitet werden und die Grenze zur krankheitswertigen psychischen Gesundheitsbeeinträchtigung überschritten wird, dh wenn Trauer iS einer pathologischen Trauerreaktion krank macht und ein ärztlicher Behandlungsbedarf besteht, kann der Ausgleich der damit verbundenen Leiden vom Schädiger verlangt werden. Durch das Erleiden eines „Nervenschadens“ sind nämlich diese Personen in ihrem absolut geschützten Recht auf körperliche Unversehrtheit beeinträchtigt und als unmittelbar Geschädigte anzusehen. Solche psychischen Beeinträchtigungen eines Dritten mit Krankheitswert werden häufig „schockartig“ durch das Miterleben eines Unfalls oder die Konfrontation mit einem Unfallsgeschehen (Todesnachricht) ausgelöst, weswegen sich dafür die Bezeichnung „Schockschaden“ eingebürgert hat. Sie können sich aber auch durch das Miterleben des Todes oder im Zuge der Betreuung nach einer schwersten Verletzung (erst) einstellen.
Bleibt es bei der „normalen“ Trauerreaktion, dann spricht man von „bloßen“ Trauerschmerzen. Ein solcher Seelenschmerz über den Verlust eines nahen Angehörigen, der zu keiner eigenen Gesundheitsschädigung iSd § 1325 ABGB geführt hat, ist nur bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers auszugleichen. Wie beim Schockschaden wird auch für den Anspruch auf (bloßes) Trauerschmerzengeld eine Verletzungshandlung gegenüber einem nahen Angehörigen verlangt. Der „Schock“ (die psychische Beeinträchtigung) muss im Hinblick auf seinen Anlass verständlich sein. Ausgangspunkt für die Angehörigeneigenschaft ist, dass die Verletzungshandlung gegenüber dem „Angehörigen“ typischerweise in hohem Maß geeignet erscheint, einen „Schockschaden“ herbeizuführen, dh dass der „Schockschaden“ als typische Folge der Verletzungshandlung angesehen werden kann. Dabei wird das familiäre Naheverhältnis je nach dem Verwandtschaftsgrad als typischerweise vorhanden vorausgesetzt („Kernfamilie“); so etwa zwischen Eltern und Kindern oder zwischen Ehegatten oder Lebensgefährten. Schon bei Geschwistern wird darauf abgestellt, ob diese im gemeinsamen Haushalt leben. Ist dies der Fall, wird die enge Gefühlsbindung als typischerweise vorhanden vorausgesetzt, Gegenteiliges hat dann der Schädiger zu beweisen. Eine bloße Nahebeziehung, ohne mit dem Getöteten nah verwandt, verheiratet oder dessen Lebensgefährte gewesen zu sein, reicht demnach nicht aus.