OGH 1 Ob 252/15p
Aufklärung über Komplikationen und Operationsrisiken
Wie das Berufungsgericht zutreffend dargelegt hat, setzt eine rechtswirksame Einwilligung des Patienten – die dann auch die Rechtswidrigkeit des Eingriffs in seine körperliche Unversehrtheit ausschließt – nicht nur eine ausreichende Aufklärung voraus, die den Einwilligenden instandsetzen soll, die Tragweite seiner Erklärung zu überschauen (RIS-Justiz RS0026413). Diese Aufklärung hat auch so rechtzeitig zu erfolgen, dass dem Patienten eine angemessene Überlegungsfrist bleibt, um das Für und Wider der Operation abzuwägen (RIS-Justiz RS0118651 [insb T2]). Die Überlegungsfrist hat umso länger zu sein, je weniger dringlich die ärztliche Maßnahme ist bzw je größer die damit verbundenen Gesundheitsrisiken sind.
Im vorliegenden Fall hat das Berufungsgericht richtig auf die mangelnde Dringlichkeit der Operation und die Schwere des Eingriffs hingewiesen. Aus den erstgerichtlichen Feststellungen ergibt sich zudem, dass eine derartige Operation überwiegend bei Kindern und Jugendlichen durchgeführt wird, wobei sich mittelfristig gute bis sehr gute Erfolge im Ausmaß von 50 bis 70 % der Fälle einstellen, wogegen die Erfolgsaussichten bei Erwachsenen – der Kläger war damals 46 Jahre alt – niedriger sind. Wenn das Berufungsgericht unter diesen Umständen die dem Kläger gewährte Überlegungsfrist als zu kurz und damit dessen Einwilligung als nicht wirksam qualifiziert hat, liegt keine erhebliche Fehlbeurteilung vor, die vom Obersten Gerichtshof korrigiert werden müsste. Soweit die Rekurswerberin zur Stützung ihres Rechtsstandpunkts auf die Entscheidung (Zurückweisungsbeschluss) zu 7 Ob 64/11d (= Zak 2011/440 = iFamZ 2011/157 = RdM 2011/150) verweist, ist sie darauf hinzuweisen, dass die Klägerin in jenem Fall – anders als im vorliegenden – bereits rund 14 Tage vor dem Eingriff über die medizinischen Möglichkeiten einer Operation aufgeklärt worden war, sich allerdings zunächst für die Schmerztherapie entschieden hatte. Wenn der Oberste Gerichtshof die Auffassung des dortigen Berufungsgerichts, die ausführliche Aufklärung am Vortag der Operation sei rechtzeitig gewesen, als „zumindest vertretbar“ angesehen hat, lässt sich daraus für den hier zu beurteilenden Fall nichts Abschließendes gewinnen. Dort handelte es sich offenbar auch um eine „herkömmliche“ Hüftgelenksoperation, die mit dem hier durchgeführten Eingriff nicht ohne weiteres gleichgesetzt werden kann.