Lagerungsschaden bei Operation, Verbrennungen am Operationstisch

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Verbrennungen wegen fehlerhafter Lagerung am OP-Tisch

Im Rahmen einer vorgenommenen Koronarartherienbypass-Operation durch Hochfrequenzchirurgie erlitt mein Mandant infolge nicht lege artis vorgenommener Operationslagerung großflächige Verbrennungen im Rückbereich II. Grades. Bei der Anwendung von Hochfrequenz-Chirurgiegeräten ist eine lege artis vorgenommene Operationslagerung derart vorzunehmen, wonach jeder gewollte oder zufällige Kontakt des Patienten mit geerdeten Metallteilen sorgfältig zu vermeiden ist. Um dies zu gewährleisten, darf der Patient keine Metallteile (z.B. OP-Tisch, Halterung) berühren und müssen sich auf dem geerdeten OP-Tisch elektrisch ableitfähige Auflagen befinden, um elektrostatische Ladungen abzuleiten. Dafür muss eine dicke, insolierende Unterlage unter dem Patienten gelegt werden, auf die ausreichende Zwischenlagen von Abdecktüchern zu geben sind.

Darüber hinaus ist darauf Bedacht zu nehmen, dass der Patient nicht auf feuchten Unterlagen gelagert wird. Ausscheidungen des Körpers wie Schweiß, Sekretionen, Blut usw. als auch aufgetragene Flüssigkeiten zum reinigen oder applizierte Flüssigkeiten, wie Infusionen usw. dürfen die trockenen Unterlagen nicht durchfeuchten und müssen im Bedarfsfall schnell und rückstandfrei aufgesogen werden, damit es nicht zu Flüssigkeitsansammlungen  unter dem Patienten kommt. Urinausscheidungen müssen über einen Katheder abgeleitet werden (aus dem Operationsbericht ist derartiges nicht zu entnehmen). Um derartige starke Schweißabsonderungen zu vermeiden, muss die Narkose richtig dosiert werden. Bei Anwendung von Flüssigkeiten aller Art muss darauf geachtet werden, dass diese Flüssigkeiten nicht verspritzt oder verschüttet und zu reichlich verwendet werden, damit diese nicht unter den Patienten gelangen kann.

 

Bei Anwendung von Hochfrequenz-Chirurgiegeräten bei länger dauernden Operationen – wie gegenständlich über die vier Stunden – ist jedenfalls mit Ausscheidungen des Körpers wie Schweiß und Sekretionen zu rechnen. Um dadurch verursachte Verbrennungen zu vermeiden, müssen  OP-Pflegekräfte vor der Hautdesinfektion für einen Nässeschutz sorgen und  auch während der Operation ständig auf trockene Unterlagen achten, damit keine Kurzschlussströme über den OP-Tisch zu Verbrennungen führen können.

 

Der Patient muss elektrisch isoliert von (insbesondere geerdeten) Metallteilen gelagert werden, darüber hinaus ist während des gesamten Operationsverlauf auf trockene Unterlagen zu achten, damit bei monopolarer Anwendung keine Kurzschlussströme über den OP-Tisch zu Verbrennungen führen. Verbrennungen bei Einsatz von Hochfrequenz-Chirurgiegeräten stellen bei umsichtiger und sorgfältiger Lagerung sowie Kontrolle während des Operationsvorganges eine beherrschbare und vermeidbare Komplikation dar. Auch Verbrennungen durch köpereigene Feuchtigkeitsansammlungen sind bei entsprechender Sorgfalt jederzeit beherrschbar und kann diesen bereits präventiv entgegen gewirkt werden. Feuchtigkeit, welche sich beispielsweise durch Urineinässen oder starkes Schwitzen, welche sich üblicherweise an dem unteren Körperteil ansammelt, kann bereits durch feuchtigkeitspräventive Einlagen von Zellstoff begegnet werden. Bei einer Operationsdauer – wie gegenständlich von vier Stunden – ist es durchaus möglich, dass durch Urineinnässen oder starkes Schwitzen selbst einen Feuchtigkeitsfilm bildete, wodurch es zu den gegenständlichen Verbrennungen kam.

 

In der österreichischen Rechtsprechung liegen keine höchstgerichtlichen Entscheidungen über intraoperative Verbrennungen bei Verwendung von Hochfrequenz-Chirurgiegeräten vor, sodass ein juristischer „Blick“ auf die deutsche Rechtsprechung vorzunehmen ist. Hier ist auf eine aktuelle Entscheidung des OLG Frankfurt am Main vom 28.01.2014 zu AZ: 8 U 116/12 zu verweisen, in welchem ein ähnlich gelagerter Fall bereits zugunsten des geschädigten Patienten entschieden wurde. In dieser Entscheidung wurde ausgesprochen, dass derartige Verbrennungen jedenfalls ein jederzeit beherrschbares und diesen bereits präventiv entgegen zu wirkendes Ereignis darstellt

 

Darüber hinaus ist davon auszugehen, dass die Voraussetzungen des Anscheinsbeweises vorliegen. Erfahrungsgemäß treten bei umsichtiger und sorgfältiger Lagerung des Patienten auf dem Operationstisch Schäden der vorgenannten Art nicht auf, sodass im Schadensfall bereits der erste Anschein (Prima-facie-Beweis) für ein fehlerhaftes Vorgehen der beteiligten Personen spricht.

 

Der Anscheinsbeweis beruht auf der Auswertung allgemeiner Erfahrungsgrundsätze, die sich aus der Beobachtung stereotyper Geschehensabläufe gleichsam zur natürlichen Gesetzmäßigkeit verdichtet haben, für jeder Mann nachvollziehbar sind und bis zum Hervorkommen einer möglichen Ausnahmesituation die Vermutung des Vorliegens einer Tatsache beim Nachweis einer damit regelmäßig im Zusammenhang stehenden anderen begründen (7 Ob 145/14 w). Die vorgenannten Schäden meines Mandanten im Rahmen der Operation sind typische intraoperative Verbrennungsschäden bei Anwendung von Hochfrequenz-Chirurgiegeräten, sodass keinesfalls ein atypischer Geschehensablauf vorliegt. Keinesfalls liegt eine nicht beherrschbare Komplikation vor.

 

Der OP-Tisch ist als medizinisches Gerät zu qualifizieren, wonach  auch die Regeln des Medizinproduktgesetz (MPG) sowie der Medizinproduktbetreiberverordnung (MPBV) als Anspruchsgrundlage zur Anwendung gelangen.

 

Bei nicht notwendigen Operationen besteht aufgrund der Möglichkeit von Verbrennungen bei Verwendung von Hochfrequenz-Chirurgiegeräten eine erhöhte Aufklärungspflicht. Grundlage für die Haftung eines Arztes oder Krankenhausträgers wegen Verletzung der Aufklärungspflicht ist in erster Linie das Selbstbestimmungsrecht des Patienten, in dessen körperliche Integrität durch die Behandlung eingegriffen wird. Der Patient muss in die konkrete Behandlungsmaßnahme einwilligen; Voraussetzung für seine sachgerechte Entscheidung ist eine entsprechende Aufklärung durch den Arzt.

 

 

 

 

 

Die Aufklärung soll den Patienten in Stand setzen, die Tragweite seiner Erklärung zu überschauen. Ist der Eingriff nicht dringlich, muss der Arzt den Patienten auch auf allenfalls bestehenden Behandlungsalternativen hinweisen. Dabei sind Vorteile und Nachteile, verschiedene Risiken, verschieden starke Intensitäten der Eingriffe, differierende Folgen, Schmerzbelastungen und unterschiedliche Erfolgsaussichten gegeneinander abzuwägen (4 Ob 155/08 k, RIS Justiz RS 0026313). Auch die Möglichkeit von Verbrennungen aufgrund nicht lege artis vorgenommener Lagerung während der Operation bei Verwendung von Hochfrequenz-Chirurgiegeräten, stellt sohin bei nicht dringenden Operationen eine aufklärungswürdige typische Komplikation dar. Der Arzt hat dem Patienten nicht auf alle denkbaren Folgen einer Behandlung hinzuweisen einzuschränken ist diese Aussage hinsichtlich der Aufklärungspflicht über die „typischen“ Risiken, welche mit einem bestimmten ärztlichen Eingriff verbunden sind.

 

Die Typizität ergibt sich nicht aus dem Komplikationshäufigkeit, sondern daraus, dass das Risiko speziell dem geplanten Eingriff anhaftet, auch bei Anwendung allergrößter Sorgfalt und fehlerfreier Durchführung nicht sicher zu vermeiden ist (RIS-Justiz RS 0026340, RS 0112806) und den nicht informierten Patienten überrascht, weil er mit dieser Folge überhaupt nicht rechnet (OGH 27.02.2009, 6 Ob 122/07 w; RIS-Justiz RS 0026340 (T5); SZ 69/199). Auf die typischen Risiken muss der Arzt den Patienten unabhängig von ihrer statistischen Wahrscheinlichkeit hinweisen (RIS-Justiz RS 0026499 (T2)).

 

Die Anspruchsgrundlage kann sohin auf  schuldhaft vorwerfbare nicht lege artis vorgenommene Lagerung/Operationsvorbereitung und/oder unterlassener entsprechender Aufklärung bei Vorliegen einer Wahloperation. Die Beweislast dafür, dass der Patient auch bei ausreichender Aufklärung die Zustimmung zum Eingriff erteilt hätte, trifft für den Fall der Verletzung der Aufklärungspflicht den Arzt (3 Ob 131/03 s, 4 Ob 137/07 m, 4 Ob 155/08 k).

 

 

 

 

 

Das Verfahren ist noch nicht gerichtsanhängig, derzeit wird im Rahmen der außergerichtlichen Schadensabwicklung auf Kosten und Rechnung der Haftpflichtversicherung des Rechtsträgers der Krankenanstalt ein Gutachten aus dem Fachbereich Dermatologie eingeholt.

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