Behandlungsfehler in der Schwangerschaft durch falsche Pränataldiagnostik

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Behandlungsfehler während der Schwangerschaft/Pränataldiagnostik

 

Unter dieser Rubrik berichte ich unter ausdrücklicher Zustimmung und Ermächtigung meiner Mandanten von aktuellen interessanten Fällen in meiner Kanzlei. Bei diesem Fall handelt es sich um einen ärztlichen Behandlungsfehler  dem nachstehender kurz zusammengefasster Sachverhalt wie folgt zugrunde lag:

 

Infolge eines Diagnosefehlers bei einem vorgenommenen Organscreening in der 21. Schwangerschaftswoche wurde ein schwerer Herzfehler des Kindes meiner Mandanten nicht erkannt. Bei richtiger Interpretation der Ultraschallbilder hätte den Kindeseltern mittgeteilt werden müssen, dass Auffälligkeiten/Unstimmigkeiten vorliegen und der notwendige Vier-Kammer-Blick des Kinderherzens nicht darstellbar ist sowie weitere Untersuchungen veranlassen oder die Kindesmutter an eine Spezialklinik für Pränataldiagnostik verweisen müssen. Gegenständlich konnten diagnoserelevante Strukturen nicht dargestellt werden/waren nicht einsehbar, sodass entweder eine Wiederbestellung oder Überweisung an eine Spezialambulanz für Pränataldiagnostik medizinisch indiziert gewesen wäre. Infolge Unterlassung dieser medizinisch indizierten Vorgangsweise und der unrichtigen Diagnose wurde ein schwer behindertes  Kind geboren.

 

Bei lege artis vorgenommener und den Richtlinien der ÖGUM (Österreichische Gesellschaft für Ultraschall in der Medizin) entsprechende Untersuchung und Interpretation der Ultraschallbilder wäre der schwere Herzfehler erkennbar gewesen. Es ist Aufgabe eines Untersuchers, im Rahmen eines Organscreenings so lange zu untersuchen, bis alle vorgeschriebenen Herzebenen dokumentiert sind. Dies wurde gegenständlich aber rechtswidrig und schuldhaft vorwerfbar außer Acht gelassen. Bei Kenntnis dieses schweren Herzfehlers hätten sich die Kindeseltern für einen zulässigen Spätschwangerschaftsabbruch entschieden.

 

 

 

Ein Ärzten anzulastendes Fehlverhalten liegt dann vor, wenn diese nicht nach Maßgabe der ärztlichen Wissenschaft und Erfahrung vorgehen, also die übliche Sorgfalt eines ordentlichen und pflichtgetreuen Durchschnittsarztes in der konkreten Situation vernachlässigen. Der Zweck der Pränataldiagnostik liegt auch darin, drohende Entwicklungsstörungen und Fehlbildungen des ungeborenen Kindes zu erkennen und der Mutter bzw. den Eltern dadurch eine sachgerechte Entscheidung über den gesetzlich zulässigen Schwangerschaftsabbruch zu ermöglichen. Schäden, die den Eltern entstehen, weil ihnen durch einen Arztfehler diese Entscheidungsmöglichkeit genommen wird sind vom Schutzzweck des Behandlungsvertrages umfasst.  

 

Das bei der Untersuchung verwendete Ultraschallgerät ist ein Medizinprodukt gem. § 2 Abs 1 Medizinproduktgesetz (MPG). Gem. § 4 der Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBV) ist sicherzustellen, dass jede mit der Verwendung eines Medizinproduktes befasste Person in die Handhabung dieses Medizinproduktes entsprechend eingewiesen wurde. Darüber hinaus ist gem. § 6 Medizinproduktebetreiberverordnung (MPBV) bei Medizinprodukten – wie gegenständlich das verwendete Ultraschallgerät – einer wiederkehrenden sicherheitstechnischen Prüfung zu unterziehen. Auch auf dieser Anspruchsgrundlage, Verwendung  des Ultraschallgerätes durch eine nicht entsprechende zertifizierte Person sowie Unterlassung der vorgesehenen sicherheitstechnischen Prüfungen, könnte sich bei nicht entsprechender Schulung/Handhabung und Wartung/Überprüfung eine Haftung des Betreibers und/oder Anwenders ergeben.

 

Aufgrund der Mitteilung/Schocknachricht an die Eltern wonach ihr vermeintlich gesundes Kind ein Leben lang an einer schwersten Behinderung leiden wird, erlitten diese posttraumatische Belastungsstörungen mit Krankheitswert sowie Anpassungsstörungen im Sinne einer depressiven Reaktion. Laut ständiger Rechtsprechung ist für derart seelische Beeinträchtigungen mit Krankheitswert wegen der durch die Dauerfolgen schwerster Verletzungen eines nahen Angehörigen bewirkten dauerhaften Lebensumstände ein Schmerzengeld berechtigt.

 

In der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes besteht ein Schmerzengeldanspruch der Eltern auch dann, wenn nicht die Verletzung des Angehörigen selbst einen Schock auslöse, sondern beispielsweise erst seine Betreuung aufgrund einer Überlastungssituation zu einer gesundheitlichen Beeinträchtigung des pflegenden Familienmitgliedes im Sinne von krankheitswertigen psychischen Beeinträchtigungen wie Schlaflosigkeit, Erschöpfungszustände, Schlafstörungen, posttraumatische Belastungsstörung, Hoffnungslosigkeit, traurige Verstimmung und Antriebsstörungen führen. Mittlerweile ist aufgrund oberstgerichtlicher Rechtsprechung gesichert, dass bei schwersten Verletzungen naher Angehöriger, so etwa bei lebenslänglicher Pflegebedürftigkeit eines Kindes durch eine Mutter oder dauernde Pflege eines Schwerversehrten ein Anspruch auf Schmerzengeld besteht.

 

Nach ständiger Rechtsprechung haben die Eltern aber auch Anspruch auf Ersatz für sämtliche bisherigen und künftigen Aufwendungen, Pflegeleistungen und sonstigen Vermögensnachteile, die mit der Obsorge, Pflege und Erziehung ihres behinderten Kindes im Zusammenhang stehen. Wird das behinderte Kind von seinen Angehörigen betreut und gepflegt, so ist der objektive Wert der Arbeitsleistungen als Grundlage der Vergütung heranzuziehen, das heißt jene Kosten, die durch die Befriedigung des Pflegebedarfs durch professionelle Kräfte anfallen würden. Darüber hinaus gebührt auch Ersatz für die Zeit, die der pflegende Angehörige sonst außer Haus als Freizeit verbracht hätte. Lt. Rechtsprechung ist unter Anwendung von § 273 ZPO dafür ein 10 %iger Zuschlag zu den Pflegekosten durchaus angemessen.

 

Da bei derartigen Behandlungsfehlern Dauer-/Spätfolgeschäden mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht auszuschließen sind, haben die Kindeseltern gem. § 228 ZPO ein berechtigtes Interesse an der Feststellung für sämtliche zukünftigen, derzeit nicht bekannten Folgen und Schäden aus dem nicht lege artis vorgenommenen Organscreening.

 

 

 

 

 

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